64. Filmfestspiele Cannes: Eine Zeitreise mit Woody Allen

(c) REUTERS (JEAN-PAUL PELISSIER)
  • Drucken

Das renommierteste Filmfest lockt heuer mit großen Namen. Mit Woody Allens „Midnight in Paris“ gab es einen gemütlichen Auftakt. Der wahre Cannes-Höhepunkt ist aber für Montag avisiert.

Der Eiffelturm und Notre-Dame, der Louvre und Les Halles, die Bistros und die Brücken über die Seine ... und so weiter. Die Eröffnung von Woody Allens „Midnight in Paris“ lässt kein Klischee über die Stadt der Liebe aus: Eine Sehenswürdigkeit nach der anderen wird zu einem der von Allen so geliebten alten Jazzstandards ins Bild gerückt, bevor die Handlung beginnt. Aber Allen, der mittlerweile für seine Filme begeisterte Finanziers quer durch Europa findet (diesen Sommer dreht er in Rom mit Roberto Benigni), bedankt sich da nicht einfach mit Bilderbuch-Touristik, vielmehr ist das die ironische Grundierung seines Films.

Mit Hemingway im Café

Denn die Hauptfigur Gil (idealbesetzt: der stets leicht linkische Owen Wilson) ist ein amerikanischer Drehbuchautor auf Verlobungsreise, der nostalgischen Erinnerungen an seine Pariser Jugend nachhängt: Als Twen träumte er hier davon, in die Fußstapfen von F. Scott Fitzgerald und Hemingway zu treten. Dann landete er bei der künstlerisch unbefriedigenden, doch gut bezahlten Skriptarbeit, das dicke Manuskript seines unveröffentlichten Romans hat er aber immer noch im Gepäck. Seine Verlobte empfiehlt, es einem befreundeten Sorbonne-Professor (Martin Sheen) zu zeigen: Doch der ist das Klischee vom überheblichen intellektuellen Franzosen. Er weiß alles besser und beginnt beim Rundgang im Rodin-Museum sogar Streit mit der Museumsführerin (publicitywirksamer Gastauftritt: Carla Bruni).

Auf einem einsamen Paris-Spaziergang erlebt Gil dann aber sein blaues Wunder: Punkt Mitternacht erscheint ein Oldtimer-Auto, er wird zum Einsteigen aufgefordert – und landet plötzlich auf einer Party mit Fitzgerald. Der führt ihn alsbald zu Hemingway ins Café, und schließlich darf er sein Romanmanuskript Gertrude Stein (Kathy Bates) zum Gegenlesen in die Hand drücken. Und so verblüfft Gil seine Umwelt bald tagsüber mit ungeahnten Erkenntnissen, während er sein Werk gemäß Steins Ratschlägen umschreibt – und jede Nacht kehrt er auf demselben magischen Weg zurück in das Paris der 1920er, jener Zeit, in der er gerne gelebt hätte.

Kameramann Daruis Khndji rückt die Epoche in goldenes Licht, während Allen sich einen Bildungsbürger-Spaß mit den Berühmtheiten gönnt: Sie sind parodistisch auf ein paar markante Züge reduziert. Das amüsiert bei Hemingways übertriebenen Macho-Monologen, oder wenn Gil einem sichtlich irritierten Luis Buñuel das surreale Sujet eines seiner zukünftigen Filme eingibt – und der es überhaupt nicht begreift. Die Strategie dünnt mit der Zeit zwar ein wenig aus – Dalí ruft im Wesentlichen immer wieder eitel „Dalí!“ –, aber schließlich geht es Allen bei diesem gemütlichen, gut gespielten kleinen Film nur um eine „kleine Erkenntnis“: Durch die Romanze mit einem Picasso-Modell (Marion Cotillard), das davon träumt, statt in den 1920ern in der Belle Époque zu leben, reift die Einsicht: Besser, sich einer nicht perfekten Gegenwart zu stellen, als sich in Traumwelten zu flüchten.

Almodóvar, Kaurismäki, von Trier

Nicht nur wegen seiner französischen Produktionsumstände hat sich Allens „Midnight in Paris“ damit als gefällige Idealbesetzung für den Eröffnungsfilm der diesjährigen Filmfestspiele Cannes anempfohlen. In den nächsten zehn Tagen wird es an der Côte d'Azur schließlich wieder um den Spagat zwischen Gegenwart und Traumwelten gehen: das Kino als Spiegel der Wirklichkeit und als Illusionsmaschine. Die hochkarätige Besetzung mit renommierten Autorenfilmern von Pedro Almodóvar über Aki Kaurismäki bis zu Lars von Trier weckt jedenfalls Erwartungen, aus österreichischer Sicht ist es freilich ein Debütant, der überraschend den Sprung in den Wettbewerb geschafft hat: Markus Schleinzers Drama „Michael“ wird am Samstagnachmittag vorgestellt – unmittelbar nachdem der Rummel um die Weltpremiere des vierten Teils von „Pirates of the Carribean“ unzweifelhaft für den grellen kommerziellen Höhepunkt des heurigen Festivals sorgen wird.

Der wahre Cannes-Höhepunkt ist aber für Montag avisiert: Dann kommt „Tree of Life“ von Hollywood-Einzelgänger Terence Malick – seinem Epos mit Brad Pitt und Sean Penn fiebert die Filmwelt bereits seit zwei Jahren entgegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Lady Gaga praesentiert Cannes
Pop

Lady Gaga präsentiert in Cannes "Judas"

Von ihrer Liebe zu Judas "als Metapher für Verzeihen" handelt die neue Single von Popdiva Lady Gaga. Sie nutzte die Eröffnung der Filmfestspiele, um den Song vorzustellen.
Cannes Woody Allen eroeffnet
Film

Cannes: Woody Allen eröffnet Filmfest mit Stars

Woody Allens "Midnight in Paris" bildet den Auftakt für das Filmfestival in Cannes. Der Regisseur brachte Owen Wilson, Adrien Brody und Rachel McAdams mit an die Cote d'Azur. Nur Carla Bruni fehlt.
Szene aus ''Midnight in Paris''
Salon

Cannes: Carla Bruni schwänzt "ihren Eröffnungsfilm"

Aus "beruflichen" Gründen musste die französische First Lady ihren Besuch bei dem weltberühmten Filmfest absagen, dabei ist sie selbst auf der Leinwand zu sehen.
Lars TrierEklat Israel bestellt
Film

Cannes-Eklat: Israel bestellt neuen von-Trier-Film ab

"Melancholia" wird in Israel und Argentinien nicht zu sehen sein. Der Regisseur hatte sich positiv über Hitler geäußert und Israel kritisiert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.