Dänemark: Eine Erpressung von rechts

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Die rechte Volkspartei erkauft sich Erfolge in der Migrationspolitik durch das Mittragen von heiklen Entscheidungen der Regierung.

Kopenhagen. Die offenen Grenzen behagten der dänischen Rechten noch nie. „Eine Grenze muss sein“, plakatierte Pia Kjærsgaard, die Chefin der populistischen Dänischen Volkspartei DVP, schon vor dem Beitritt zum Schengen-Abkommen. Als Nord- und Südschleswig eine grenzüberschreitende Region gründeten, stellte sie sich mit Gleichgesinnten an die offenen deutsch-dänischen Pforten, um mit einer Menschenkette ihren Protest zu verdeutlichen. Für die übrigen Parteien war dies bisher ein nationalromantisches, fremdenfeindliches Getue. Jetzt ist es offizielle Politik: Dänemark führt an den Übergängen nach Deutschland und Schweden wieder Kontrollmechanismen ein.

Das ist kein Austritt aus dem Schengen-Abkommen, aber nahe dran. Zwar werden nicht Polizisten die Grenze kontrollieren, aber Grenzbeamte mit weit reichenden Befugnissen. Und die Überwachung ist nicht eine vorübergehende Maßnahme zur Eindämmung einer akuten Krise, wie sie nun auf der EU-Agenda steht. Die dänischen Verschärfungen sollen permanent sein. Damit wolle man die „wuchernde Kriminalität“ osteuropäischer Täter eindämmen und dem Menschenschmuggel mit „illegalen Einwanderern“ einen Riegel vorschieben, begründet der liberale Finanzminister Claus Hjort Fredriksen den Schritt.

Seit Jahren ist es die Grundregel der dänischen Innenpolitik, dass die liberal-konservative Regierung sich nur mithilfe der Rechten an der Macht halten kann, und diese sich die Hilfe teuer entgelten lässt. Immer wenn die Koalition ihre Haushaltsvorschläge oder andere wichtige Vorhaben durchsetzen will, muss sie sich die Zustimmung der DVP durch Verschärfungen der Asyl- und Migrationspolitik erkaufen. So hat Dänemark Europas schärfste Zuwanderungsregeln bekommen, und jetzt sind die offenen Grenzen dran. Eine Welle von Raubzügen von aus Rumänien oder Litauen eingereisten Banden – und die große Publizität für diese Verbrechen – hat die Stimmung geschaffen, dank der Kjærsgaard im bevorstehenden Wahlkampf zu punkten hofft. Jetzt sollen an der Öresundbrücke und an den deutsch-dänischen Autobahnübergängen wieder Schleusen errichtet werden, an denen Grenzbeamte die Reisenden durchwinken – oder auch nicht. Das werde viele Unannehmlichkeiten bringen und wenig polizeilichen Erfolg, sind sich Experten einig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2011)

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