Überalterung und Weinseligkeit kennzeichnen die bürgerliche Bastion - und der Wunsch nach einer Verlängerung der U4 bis nach Klosterneuburg, um die Verkehrsprobleme im Bezirk in den Griff zu bekommen.
Wien. Wer mit der U4 die lange Fahrt bis an deren Ende in den Norden fährt, reist direkt in das Herz des bürgerlichen Wiens. Also nach Döbling. Obwohl der erste Eindruck, wenn man den vor einiger Zeit renovierten Bahnhof Heiligenstadt verlässt, andere Gedanken aufkommen lässt. Dort, wenige Meter nach dem Ausgang, thront das Flaggschiff des roten Wiens – der Karl-Marx-Hof. Daneben Kebabstände, ein Sushi-Imbiss, entlang der Straße verparken Pendler aus dem Umland jeden freie Quadratzentimeter. Und in Richtung Norden verliert sich die Struktur der Straßenzüge, die bis zum Donaukanal reichen.
Doch in Richtung Westen, wenn man die Heiligenstädter Straße hinter sich lässt, hinter dem Karl-Marx-Hof, beginnt das echte Döbling. Ein Bezirk, der für Villen, Weinberge, Heurigen (Grinzing, Sievering, Neustift und Nussberg) und als traditionelles bürgerliches Bollwerk bekannt ist. Ein Ort, wo die Döblinger Regimenter noch aufmarschieren – wie die treuesten ÖVP-Bastionen bezeichnet werden.
Seit mehr als 30 Jahren regiert das VP-Urgestein Adi Tiller. Die FPÖ ist im Reich des längstdienenden Bezirkschefs der Stadt kein Machtfaktor, rangiert bei nicht mal 15 Prozent und kämpft mit den Grünen um Platz drei. Probleme mit Migranten gibt es kaum. Mit ca. 16 Prozent liegt der Migrantenanteil in Döbling deutlich unter dem Wien-Schnitt. Und die größte Migrantengruppe bereitet sowieso wenig Integrationsprobleme. Das sind in der Zwischenzeit die Deutschen.
Es sind vielmehr die Traditionen, die Döbling beschäftigen. Vor allem die Tradition als Heurigenort. Seit Jahren ist von einem Heurigensterben die Rede. Etwas, das Bezirkschef Tiller lange verfolgt: „Viele Winzer finden keinen Nachfolger, weil der Nachwuchs die Traditionsbetriebe nicht fortführt.“ Trotzdem gibt es Hoffnung: Mit dem Auftreten von Hans Schmied (er hat den Mayer am Pfarrplatz übernommen) und Stefan Hajszan vom gleichnamigen Weingut (er betreibt nebenbei auch das Universitätsbräuhaus im Alten AKH) ist wieder Bewegung und Optimismus in der Döblinger Weinbauregion eingezogen. „Das sind zwei mit besonderen Engagement“, so Tiller.
U-Bahn bis Klosterneuburg
Was den Heimatbezirk der Wiener Hausberge (Hermannskogel, Kahlenberg, Leopoldsberg) noch beschäftigt? „Eine U-Bahn-Verlängerung von Heiligenstadt über das Kahlenbergerdorf bis nach Klosterneuburg“, lässt Tiller aufhorchen: „Diese Verlängerung würde uns zahlreiche Einpendler ersparen.“ Diese verparken rund um die derzeitige U4-Endstation Heiligenstadt den Bezirk, wodurch Parkplätze für die Anwohner schwer zu finden sind. Deshalb hatte der Bezirk auch schon erklärt, er könne sich partiell, rund um die Brennpunkte des Bezirks, die Einführung des Parkpickerls vorstellen. Dazu zählt die U4-Endstation Heiligenstadt.
Apropos: Für politische Aufregung hatte das Gebiet rund um die U4-Endstation Heiligenstadt in der Vergangenheit gesorgt, weil bei der nahe gelegenen Gunoldstraße ein einschlägiges Etablissement war. Und zwar jenes, mit dessen Besuch der damalige Chef der Wiener FPÖ, Hilmar Kabas, groß in die Schlagzeilen geriet. Er habe das Bordell nur besucht, um einen „Sicherheitscheck“ zu machen, argumentierte Kabas damals.
Der Bezirk der Pensionisten
Ansonsten ist Döbling ein ruhiger, beschaulicher Bezirk. Derzeit wird für die Umbenennung eines kleinen Platzes in Peter-Alexander-Platz gekämpft, die Sanierung der denkmalgeschützten Höhenstraße nimmt Formen an. Es wird diskutiert, ob die Straße asphaltiert oder wieder mit den traditionellen Pflastersteinen belegt wird.
Bemerkenswert an Döbling: Es ist der Bezirk mit dem höchsten Altersschnitt in Wien. Der Anteil der über 60-Jährigen beträgt rund 30 Prozent, in Wien liegt dieser Durchschnitt bei 22 Prozent. Das hat seinen Grund. Döbling hat einen hohen Anteil an Pensionistenheimen.
Auf einen Blick
Der 19. Bezirk ist ein Synonym für Bürgerlichkeit, Villen und traditionelle Heurigengebiete, die seit Jahren mit Strukturproblemen kämpfen. Für Probleme sorgt auch die Verkehrslawine, ausgelöst durch Einpendler aus dem Umland. Um diese Probleme zu lösen, fordert der Bezirk nun vom Rathaus: Die Linie U4 muss von Heiligenstadt über das Kahlenbergerdorf bis Klosterneuburg verlängert werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2011)