Regieren statt reagieren

Die Politik soll wichtige Alltagsprobleme selbst lösen. Und nicht so lange warten, bis Gerichte Lösungen finden.

Darf man Schmerzengeld fordern, wenn einem der Kontakt zum eigenen Kind verwehrt wird? Ja, sagt die Judikatur in einer aktuellen Entscheidung. Und schon diskutieren die Politiker wieder einmal über Reformen.

Das wäre nicht weiter tragisch, wenn es in der Politik nicht Usus geworden wäre, erst nach Gerichtsurteilen konkret über Reformen nachzudenken. Dass es etwa Probleme bei der Durchsetzung von Besuchsrechten gibt, ist schon lange bekannt. Auch weiß man schon lange, dass der schwere Stand unehelicher Väter nicht rechtskonform sein kann. Aber auch hier wartete man lieber ab, bis man vor Kurzem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde. Das Problem bleibt nicht aufs Familienrecht beschränkt: So weiß man bis heute nicht genau, wann ein Vermieter und wann ein Mieter für bestimmte Reparaturen aufkommen muss. Und wenn die Politik einmal Gesetze reformiert, dann drückt sie sich gern vor klaren Formulierungen, um den politischen Konsens ja nicht zu zerstören. Oder wie ein inzwischen ausgeschiedener Verfassungsrichter einmal sagte: „Das Asylrecht wurde nicht strenger, nur dümmer.“

Vor Gericht lange zu prozessieren, ist für Bürger aber gar nicht so lustig, wie es die Politik vielleicht glaubt. Klare, für die Praxis geeignete Gesetze wären gefordert. Und Reformen darf man übrigens auch ohne Urteile durchführen.

philipp.aichinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2011)

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