Nicht nur in Liesing wünscht man sich eine U-Bahn-Verlängerung bis über die Stadtgrenze. Die wird wohl nie realisiert werden. Denn Wien fürchtet um Steuereinnahmen, und Niederösterreich ist die U-Bahn zu teuer.
Wien. Wiens Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou steht vor herausfordernden Gesprächen. Liesing möchte eine U6-Verlängerung von Siebenhirten über die Stadtgrenze nach Wiener Neudorf bzw. Mödling, um Pendler zum Umstieg vom Auto auf die Bahn zu motivieren (siehe oben). Floridsdorf fordert vehement die Verlängerung der U6-Nord von der Endstation Floridsdorf über Stammersdorf bis zum Rendezvousberg in Niederösterreich – oder zumindest bis zum künftigen Spital Wien-Nord.
Döblings Bezirkschef Adi Tiller drängte vor Kurzem in der „Presse“ auf eine Verlängerung der Linie U4 von Heiligenstadt nach Klosterneuburg; dazu kommen Forderungen nach einer U4-Süd-Verlängerung von Hütteldorf nach Auhof. Die Gemeinsamkeit: Mit diesen U-Bahn-Verlängerungen sollen möglichst viele der 250.000 Pendler, die täglich nach Wien kommen, zum Umsteigen auf die öffentlichen Verkehrsmittel motiviert werden.
Am Montag forderte nun auch der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch bessere Verbindungen ins Umland. Positive Signale waren zuvor vom niederösterreichischen Verkehrslandesrat Karl Wilfing gekommen, der im „Standard“ erklärt hatte, er könne sich mittelfristig U-Bahn-Verlängerungen von Wien nach Niederösterreich vorstellen. Nur: Diese U-Bahn-Verbindungen über die niederösterreichische Grenze werden wohl trotzdem nie realisiert. Das hat mehrere Gründe.
•Kaufkraftabfluss. Der Hauptgrund, weshalb Wien eine U6-Verlängerung zur Shopping City Süd blockiert, ist der drohende Kaufkraftabfluss. Dieser würde regionale Wiener Einkaufsstraßen unter Druck bringen und Wien Unsummen an Steuereinnahmen kosten. Ähnliches gilt für andere U-Bahn-Verlängerungen nach Niederösterreich. Kaum werden Pläne ventiliert, wird jenseits der Stadtgrenze ein Shopping Center an der kolportierten Endstelle geplant.
•Die Kosten. Die U-Bahn ist ein teures innerstädtisches Verkehrsmittel. Die Kosten pro Kilometer werden von Experten mit mehr als 70 Millionen Euro angegeben. Eine Verlängerung über die Stadtgrenze hinaus würde Unsummen verschlingen – selbst wenn der Bund, der mit Budgetproblemen kämpft, weiter 50 Prozent der Kosten übernimmt. Für diese hohen Kosten will aber weder Niederösterreich noch Wien aufkommen. Wien setzt daher auf die S-Bahn, um das Umland anzubinden.
•Die Sinnhaftigkeit. Ob die U-Bahn-Verlängerungen wirklich die gewünschte Verkehrsentlastung bringen, ist offen. Gerade bei der U6-Verlängerung in den Norden gibt es laut einer Studie der Wiener Linien zu wenige Menschen entlang der potenziellen U6-Strecke, als dass sich ein laufender Betrieb rentierte – was die Kosten zusätzlich in die Höhe treiben würde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2011)