Wifo-Experte: Treichl-Aussagen "schlichtweg falsch"

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WifoExperte TreichlAussagen schlichtweg falsch(c) APA (Georg Hochmuth)
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Das Wifo stimmt dem Erste-Chef nicht zu und bezeichnet das Verhalten der Banken "hochgradig provinziell". Der Kanzler rüffelt die Banken ebenfalls.

Der Wutausbruch des Erste-Bankers Andreas Treichl mit dem Sager Politiker seien "zu blöd und zu feig" hat eine leidenschaftliche öffentliche Debatte entfacht. Wissenschafter stimmen Treichl in seinem kritischen Urteil über die Kreditvergabepolitik nicht zu. Bankerkollegen in Wien fürchteten, dass Treichls Verhalten der Branche keinen Dienst erwies - öffentlich äußern wollte sich zunächst aber keiner. Treichl selbst hat für Donnerstag eine Pressekonferenz zur prima causa eingeladen.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat ebenfalls mit einem Rüffel für die Geldinstitute geantwortet. Die Banken müssten Risiken, die sie eingehen, selbst bedecken können - "also die Suppe selbst auslöffeln", so Faymann zu Kritik an den strengeren Kapitalregeln Basel III. Jeder Klein- und Mittelbetrieb hafte für seien Handlungen und Risiken. Das müsse auch für die Banken gelten, sagte der Kanzler. Was das Thema Kreditvergabe für Unternehmen betrifft, sei er bereit, sich an einer Diskussion zu beteiligen.

Während SPÖ-Politiker den Chef der Erste Group an die aufrechte Staatshilfe erinnerten, prangerte ÖVP-Chef Michael Spindelegger die Diktion an. Heute, Dienstag, sollen Gespräche zur Kalmierung stattfinden. Inhaltlich wollte Treichl von seinem Sager bisher nichts zurück nehmen.

Lamentieren "hochgradig provinziell"

Auslöser des Ausbruchs waren die neuen Bankenkapitalvorschriften (Basel III). Treichl führte an, dass eine Bank einen Kredit an ein Unternehmen, das man schon 100 Jahre kenne, mit zehnmal mehr Eigenkapital unterlegen als eine griechische Anleihe. Der Finanzexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, Franz Hahn, kann die Kritik nicht teilen. Basel III baue die bisher schon (Basel II) bestehende Bewertung von Kreditausfallsrisiken lediglich aus, argumentierte er im "Standard". Dass eine Ramschanleihe - wie etwa Griechenlands, Portugals oder Irlands - von den Regulierern besser gestellt werde als ein Kredit an ein Unternehmen mit hoher Bonität sei "schlichtweg falsch".

Hahn kann die ganze Abwehrhaltung des österreichischen Bankensektors gegenüber dem von führenden Notenbankern und Aufsehern vereinbarten Basel-Abkommens nicht verstehen. Das Lamentieren der Banken über Basel III sei "hochgradig provinziell". Die höhere Unterlegung von Risiken mit Eigenkapital sei die richtige Konsequenz aus der Finanzkrise.

Kredite an Unternehmen sind riskanter

Auch der WU-Experte Stefan Pichler kann die Kritik des Bankers nicht nachvollziehen. Kredite an Unternehmen seien grundsätzlich riskanter als Staatsanleihen, sagte Pichler. Und deswegen sei es im Grundsatz auch in Ordnung, hier mehr Eigenkapital zu verlangen. Pichler verwies darauf, dass es hier nur um Mindestanforderungen gehe. Wenn also eine Bank tatsächlich beschließe, ein offensichtlich höheres Risiko einzugehen und griechische Staatsanleihen zu kaufen, müsse sie dafür sehr wohl mehr Eigenkapital zurücklegen - das sei in "Basel 3" ebenfalls so vorgesehen. Auf der Papierform sei im neuen Kapitalregime auch keine Benachteiligung von Retail-Banken gegenüber Investmentbanken zu erkennen, so Pichler.

Der Airline-Unternehmer Lauda hingegen sprang Treichl bei. Er teilt den Frust über die Politik, meinte er in der Zeitung "Österreich". "Ich kann nur sagen, dass ich einen ziemlichen Verdruss habe und mir manchmal schwertue, unter den herrschenden Bedingungen hier motiviert zu arbeiten. Vieles kritisiere ich seit Jahrzehnten, aber nichts ändert sich." Schon gestern hatte Treichl einigen Applaus von Unternehmern erhalten, unisono wurde aber der Stil der Aussagen kritisiert.

(APA)

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