Treichl spaltet nicht nur Faymann und Häupl

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Der Erste-Chef polarisiert weiter. Manager unterstützen ihn, Wirtschaftsforscher kritisieren ihn. Am Donnerstag gibt Treichl eine Pressekonferenz in eigener Sache. Und heute findet ein „Flashmob“ statt.

Wien/Oli/Apa. Für Donnerstag, 10 Uhr, hat Erste-Bank-Chef Andreas Treichl eine Pressekonferenz anberaumt. In eigener Sache. Das Thema werde „sein Diskussionsbeitrag zur österreichischen Wirtschaftspolitik vom letzten Freitag sein“, wie es in der Einladung heißt. Vergangenen Freitag hatte der Banker die Politik als „zu blöd und zu feig“ bezeichnet, da im Rahmen von „Basel III“ bei Kreditvergaben an heimische Firmen wesentlich höhere Auflagen einzuhalten seien als etwa bei griechischen Staatsanleihen.

Seither spaltet der Banker die Nation. Mit Vizekanzler Michael Spindelegger traf er sich gestern zur „Aussprache“. Und auch Kanzler Werner Faymann meldete sich Dienstag zur Causa prima zu Wort: Es könne nicht sein, dass Banken Risiken eingehen, und wenn es gut gehe, Gewinne machen und Managergagen erhöhen, und wenn es schiefgehe, solle der Staat zahlen. „Die Banken müssen Risiken, die sie eingehen, selbst bedecken können – also die Suppe auslöffeln“, meinte Faymann in Bezug auf die strengeren Basel-III-Kreditvergaberichtlinien.

Ein wenig anders klang sein Parteikollege, Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl: „Wenn Treichl der Meinung ist, dass die Basel-Abkommen Mist sind, dann gebe ich ihm in der Sache Recht.“ Es seien jedoch keine Politiker gewesen, die die neuen Richtlinien erarbeitet hätten. Im Basel-Ausschuss säßen Vertreter der Banken und der Bankenaufsicht, aber keine Politiker. Die Form, in der Treichl seine Kritik geäußert habe, wolle er, Häupl, „nicht so ganz ernst nehmen“. Treichl hätte die Kritik aber besser „nicht so oberflächlich“ geäußert, sondern punktgenauer.

Gusenbauer gibt Treichl Recht

Auch der ehemalige SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer meinte, die Schärfen, die Basel III für die Kreditvergabe bedeuten könne, dürften nicht unter den Tisch gekehrt werden. „Das dürfen wir nicht geringschätzen.“ Gusenbauer verteidigte das 2008 von ihm federführend geschnürte und bewusst großzügig angelegte Bankenhilfspaket: „Ich habe mich nicht so gefühlt, dass da die Bittsteller und dort die Gönner waren.“

Unterstützung bekam Treichl gestern von Unternehmern und Managern. Günter Geyer, Chef der Vienna Insurance Group, zog Parallelen zu seiner Branche: Es sei unlogisch, dass Versicherungen Immobilien-Investments im Ausmaß von 25 Prozent des Verkehrswertes mit Eigenmitteln unterlegen sollten, Aktien von Wienerberger, Voestalpine oder OMV mit 40 Prozent. „Aber ich darf Staatspapiere von Griechenland, Portugal und Irland kaufen und muss sie nicht unterlegen – soll das jemand verstehen?“ Strabag-Chef Hans-Peter Haselsteiner befand sogar, es gebe eine Negativauslese in der Politik; viele Politiker seien nicht qualifiziert genug, weil sie keine Erfahrung in anderen Berufen hätten. Daher habe die Mehrheit der Politiker auch einen eklatanten Mangel an Wirtschaftsverständnis.

Kritik an Treichl kam hingegen von Wirtschaftswissenschaftern wie Franz Hahn vom Wirtschaftsforschungsinstitut (siehe auch Artikel unten): Basel III baue die im Rahmen von Basel II schon bestehende Bewertung von Kreditausfallsrisiken lediglich aus. Das Lamentieren der Banken über Basel III sei „hochgradig provinziell“. Die höhere Unterlegung von Risiken mit Eigenkapital sei die richtige Konsequenz aus der Finanzkrise. Auch WU-Professor Stefan Pichler kann die Aussagen des Bankers nicht nachvollziehen: Kredite an Unternehmen seien grundsätzlich riskanter als Staatsanleihen, sagte er im ORF-Radio. Deswegen sei es in Ordnung, hier mehr Eigenkapital zu verlangen.

Die Sozialistische Jugend will am Mittwoch einen „Flashmob“ vor der Erste-Zentrale veranstalten. Mit der Aktion „Sektparty für Banken und Treichl“ solle die „Unverschämtheit der Banken“ demonstriert werden.

Was bisher geschah

Andreas Treichl kritisierte die strengen Kreditvergabekriterien an heimische Firmen. „Das ist eine Frechheit, ein ganz grober Fehler. Unsere Politiker sind zu blöd und zu feig dazu und zu unverständig dafür, weil sie von der Wirtschaft keine Ahnung haben, um dagegenzuwirken, und das wird Österreich schaden“, so der Erste-Bank-Chef am Freitag. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2011)

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