Vor Parteitag: Kreuz der ÖVP mit den Eisenbahnern

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ASVG-Versicherte sind wegen der Position der Volkspartei zu den Eisenbahner-Pensionen erbost und lassen ihrem Unmut freien Lauf. Tirols Landeshauptmannes Günther Platter grollt. Die SPÖ lacht sich ins Fäustchen.

Wien. Ob die ÖVP jetzt komplett verrückt sei? Das ist die druckreife Version eines Aufschreis jenes schimpfenden Anrufers in der ÖVP-Bundesparteizentrale, der seinem Ärger über die Position der Volkspartei zu den Eisenbahner-Pensionen Luft machte. Unmittelbarer Anlass dafür war die Aussage von Verkehrssprecher Ferry Maier im „Wirtschaftsblatt“ in der Vorwoche, die ÖBB sollten Mitarbeiter in Frühpension schicken. Nicht nur gegenüber Journalisten, sondern auch bei der kleineren Regierungspartei lassen ASVG-Versicherte ihrem Unmut freien Lauf, weil ihnen Verschlechterungen bei den Pensionen und bei der Hacklerregelung aufgebrummt werden, während ÖBB-Bedienstete, wie im Vorjahr, im Schnitt mit 53,5 Jahren früh den Ruhestand antreten.

Unmittelbar vor dem ÖVP-Bundesparteitag heute, Freitag, in Innsbruck kommt noch ein Wutausbruch des Tiroler Landeshauptmannes Günther Platter dazu. Dieser hat beim künftigen ÖVP-Obmann Michael Spindelegger deponiert, dem Nationalratsabgeordneten Ferry Maier solle die Funktion als ÖVP-Verkehrssprecher entzogen werden. Grund: Maier hatte sich zuletzt auch in der „Presse“ dafür ausgesprochen, Tunnels wie den Brennerbasistunnel zu „redimensionieren“. Für Platter ist Maier, wie er der „Tiroler Tageszeitung“ verriet, nicht mehr tragbar: Er solle durch den Tiroler Hermann Gahr ersetzt werden. Die SPÖ und ihre Verkehrsministerin Doris Bures können die Auseinandersetzungen erste Reihe fußfrei verfolgen.

Teils dazuverdienen ohne Limit

Was den Unmut der ASVG-Pensionisten und Beschäftigten in der Privatwirtschaft betrifft, so sorgt vor allem der frühe Pensionsantritt der Eisenbahner für Zündstoff. Dabei kann ein Teil der länger beschäftigten ÖBB-Bediensteten noch ein Privileg im Vergleich zu ASVG-Frühpensionisten genießen: Als Beamte dürfen Eisenbahner (wie die Bundesbeamten) in der Pension ganz legal so viel dazuverdienen, wie sie wollen. Das gilt vor allem für jene mit früherem Eintrittsdatum in die ÖBB. Im Gegensatz dazu wird im ASVG die Frühpension gekürzt, wenn der Zuverdienst die Geringfügigkeitsgrenze von 374 Euro im Monat überschreitet. Diese Einschränkung gilt auch für jüngere ÖBB-Bedienstete.

Hinter den Kulissen wird in der Volkspartei versichert, dass es sich um einen Solo-Pensionsvorstoß des Verkehrssprechers gehandelt habe, die ÖVP bleibe dabei: ÖBB-Chef Christian Kern müsse dafür sorgen, dass das durchschnittliche Pensionsalter der Eisenbahner steigt. Die beste Alternative wäre natürlich, sie auf einem anderen Arbeitsplatz in den ÖBB einzusetzen. Das ist ein Ansatzpunkt der ÖVP, auf den Seniorensprecherin Gertrude Aubauer verweist. Der ÖBB-„interne“ Arbeitsmarkt müsse mehr genützt werden. Entsprechende Wünsche gibt es auch von Ministerin Bures.

Allerdings ist es offenkundig wesentlich einfacher, dass Eisenbahner in den Ruhestand gehen beziehungsweise gegen ihren Willen geschickt werden. Als Beamte können Eisenbahner nach einem Jahr Krankenstand, wie der „Presse“ erklärt wurde, ohne größere Probleme mit medizinischen Gutachten, in Pension gehen. Nach den neuesten Zahlen zum ersten Quartal gab es heuer bis Ende April 130 krankheitsbedingte Ruhestandsversetzungen. Durchschnittlicher Pensionsantritt dieser Betroffenen: 50,7 Jahre. 2010 waren es zum gleichen Zeitraum 95.

Rechnungshofchef mit ÖBB-Vergangenheit

Amüsiert wurde in der SPÖ zuletzt Kritik des Rechnungshofs an der Einrechnung von Mitteln für die ÖBB ins Budget registriert. Immerhin war Rechnungshofpräsident Josef Moser vor dem Antritt in dieses Amt per 1. Juli 2004 in führender Position bei den ÖBB tätig: 2003 als Vorstandsmitglied der Eisenbahn-Hochleistungstrecken AG und 2004 als Vorstandsmitglied der ÖBB-Holding AG. Während der Rechnungshof jetzt zu Sparsamkeit mahnt, wollte er, wie es rückblickend heißt, damals deutlich mehr als 1,2 Milliarden Euro an Investitionen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2011)

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