Blinde Iranerin: Geld statt Vergeltung?

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Verschmähter Verehrer zerstörte Bahramis Gesicht mit Säure. Darauf erstritt sie vor Gericht, sich an ihm rächen zu dürfen, indem man seine Augen zerstört. Sie will darauf eventuell verzichten: für zwei Mio. Euro.

Teheran/München/Wien/Dpa/Red. Der bizarre Fall jener iranischen Frau, die seit einem Säureattentat erblindet und schlimm entstellt ist und vor Gericht erstritt, sich am Täter durch Zerstörung seiner Augen rächen zu dürfen, droht zur Schacherei um Geld auszuarten. Grund: Ameneh Bahrami (32) deutete am Mittwoch an, dass sie für viel Geld bereit sein könnte, auf die Blendung des Mannes, der in Teheran seit Jahren in Haft sitzt, zu verzichten. Als Preis steht der Betrag von zwei Millionen Euro im Raum.

Die Vollstreckung des Urteils, das von einem Teheraner Gericht 2008 gefällt worden war und in vielen Staaten, darunter auch im Iran selbst, für Diskussionen und Empörung gesorgt hatte, war an sich für vergangenen Samstag angesetzt gewesen. Stunden zuvor hob sie die Justiz aber vorerst auf – ohne Angabe von Gründen. Ein neuer Termin wurde ebenfalls nicht genannt.

„Menschenrechtler ließen mich im Stich“

Am Mittwoch wurde Bahrami von ihrem deutschen Verlag (sie hat 2010 über ihre Erlebnisse ein Buch veröffentlicht) dahingehend zitiert, dass sie für Geld zur Abstandnahme bereit sei – dabei klagte sie bitter über mangelnde Hilfe. „Als mir eine Menschenrechtsorganisation 2000 Euro bot, sagte ich, dass ich vielleicht für zwei Millionen verzichte, denn ich wusste, dass niemand, weder UNO noch irgendeine Organisation noch sonst jemand, das Geld für mich auftreiben wird. Sie reden alle nur.“ Wenn ihr aber tatsächlich jemand so viel biete, dass sie auch blind „ein halbwegs schönes Leben führen“ und sich noch mehrfach operieren lassen könne, lenke sie vielleicht ein.

Menschenrechtsgruppen hätten sie überdies im Stich gelassen, als sie noch 40 Prozent Sehfähigkeit besessen habe. Sie sei nach dem Anschlag in ein Obdachlosenheim gekommen und habe erst dort ihr Augenlicht ganz verloren, wegen einer bakteriellen Infektion durch schlechte Hygiene.

Bahrami hatte Elektrotechnik studiert und war bei einer Firma für Medizintechnik. Ende 2004 schüttete ihr Ex-Verehrer Majid Movahedi ihr in Teheran Schwefelsäure ins Gesicht. Grund: ihre Zurückweisung seiner Heiratsavancen. Sie wurde 17-mal operiert, darunter in Spanien, wo sie seit Jahren in Barcelona lebt, doch sie blieb blind, und ihr Gesicht konnte nur in Ansätzen rekonstruiert werden. Es sieht wie eine Maske aus angespannter bleicher Haut aus.

Vor Gericht klagte sie erfolgreich ihr Recht auf Rache ein: Die Scharia kennt wie das Alte Testament das „Auge um Auge“-Prinzip („Qisas“), das dem Opfer erlaubt, dem Täter das gleiche Leid zuzufügen. Bahrami verzichtete darauf, Movahedis Gesicht zu entstellen, wollte aber seine Augen mit Schwefelsäure verätzen. „Das wird für mich eine Genugtuung für all das Leid sein, das mir angetan wurde, aber auch eine Initiative, um andere Täter von solchen Aktionen abzuschrecken“, sagte sie vorigen Freitag, nachdem sie von Barcelona für die Urteilsvollstreckung nach Teheran angereist war.

Interessant ist nur, was „aktuell“ ist

Amnesty International hatte an diesem Tag den Iran aufgefordert, die Blendung zu stoppen, da sie „grausam und unmenschlich“ sei. Iranische Politiker hatten, auch wegen der ausländischen Kritik, versucht, die 32-Jährige zum Verzicht zu bewegen. Über das weltweite Echo auf ihr Vorhaben sagte sie: „Solang es nicht Tagesthema ist, achtet niemand auf Menschen wie mich, die Hilfe brauchen. Sobald etwas aktuell ist, wie die Vollstreckung meines Urteils, sind wir interessant.“

Am 24. Mai muss sie angeblich zurück nach Spanien, um ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Über den Fortgang der Vollstreckung schwieg Irans Justiz vorerst.

(Buchtipp: Ameneh Bahrami, „Auge um Auge“, mvg-Verlag, München 2010, 256 Seiten, Euro 20,60)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2011)

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