Stimmgewalt: Christa Ludwig

(c) AP (LIONEL CIRONNEAU)
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Wenn schon Operndiva, dann Christa Ludwig. Die Mezzosopranistin über das Altern der Stimme, den Pensionsschock und Modeerscheinungen auf der Bühne.

Heute gehört sie der Generation der Best Ager an: Christa Ludwig. Nach 48 Jahren auf der Bühne nahm sie Mitte der Neunzigerjahre Abschied. Schließlich gab es kaum mehr Bretter zu erobern, die ihr noch nicht die Welt bedeutet hatten. Seither ist sie nur noch sehr selten auf der Bühne zu sehen. Den bevorstehenden Auftritt in der Staatsoper nahm das „Schaufenster“ zum Anlass, mit ihr über das Altern zu sprechen, über ihr neues „normales Leben“, Umtata-Musik in der Oper und warum es früher ganz nett war, manchmal mit einem Jaguar nach Hause zu kommen, wenn man doch nur einen Kilo Erdäpfel besorgen wollte.

Demnächst sind Sie bei einer Matinee in der Staatsoper zu sehen. Reizt Sie die Bühne noch immer?
Das ist eine Ausnahme. Aber es freut mich sehr, ich habe immer noch die Lust, etwas zu machen. Singen geht nicht mehr, das ist weg. Und ich muss sagen, ich habe die Nase voll von weiten Reisen.


Nach 769 Vorstellungen genießen Sie also Ihr Leben?
Ja, natürlich, wenn man so lange gesungen und Koffer gepackt hat, dann sagt man zuerst: „Mein Gott, wie schön, ich brauch nicht mehr auf meine Stimme zu achten. Jetzt kann ich mich in Ruhe erkälten.“


Nur Freude?
Nein, nach eineinhalb Jahren fällt man in ein Loch, wie jeder Pensionist. Dann ist es ein bisschen schwierig, denn mehr Hobbys, außer unentwegtem Lernen und Abendkleider probieren, hat man ja nicht. Gott sei Dank lebt mein Sohn nur zehn Minuten mit seiner Familie entfernt. Es ist sehr schön, wieder einen Zusammenhalt zu haben.


Wie haben Sie den Pensionsschock überstanden?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin viel bei der Familie, koche gern. Musik hören ist schwierig. Opern höre ich mir gar keine an, die finde ich alle grässlich.


Warum?
Ich hab zu viele Opern gehört: Ich war als Kind schon immer in der Oper, meine Mutter war Sängerin und mein Vater war Operndirektor, Regisseur und Sänger. Ja, und dann wurde ich Opernsängerin. Denn das Einzige, was ich konnte, war singen.


Was hören Sie heute gern?
Ich gehe ganz gern in Opern, die ich nicht kenne. Barockopern liebe ich jetzt heiß und innig. Und ich habe mir „Anna Bolena“ angehört, mit der wunderbaren Anna  Netrebko und der herrlich singenden Elina Garanca. Obwohl ich Donizetti nicht unbedingt brauche. Ich brauche Opern, die anders sind. „Rigoletto“ oder „La Traviata“, nein, diese „Umtata-Musik“ geht nicht mehr.


Zur Stimme: Wie geht man damit um, dass sie sich über die Jahre verändert?
Ich hab eine Platte, auf der alles aufgenommen wurde, was ich von 1955 bis 1974 bei den Salzburger Festpielen mit Karl Böhm gesungen habe. Da merke ich natürlich, wie sich meine Stimme verändert hat. Genauso wie die von der Netrebko. Aus der jugendlichen, netten, süßen Stimme ist diese wunderschöne, runde, volle Stimme
geworden. Jetzt ist sie um die 40, das ist der Höhepunkt

.
Ein anspruchsvolles Repertoire trägt aber auch dazu bei, oder?
Natürlich verändert sich die Stimme auch mit den Partien, die man singt. Das Schreckliche ist: Wenn man eine gute Technik hat, weiß man genau, wie man es machen muss, es geht aber nicht mehr. Das ist schlimm.


Und wie geht man damit um?
Dann macht man die Karriere nicht mit der Stimme, sondern mit dem Kopf. Man muss etwas anderes singen. Eine Mezzosopranistin hat immer noch sehr gute Partien, auch wenn sie älter wird.


War es für Sie schwierig, sich anzupassen?
Nein. Sich dem Leben anzupassen ist auch eine gewisse Form von Intelligenz. Jedes Ding hat seine Zeit.


Gefällt Ihnen die heutige Musikwelt?
Was mir manchmal auf der Bühne fehlt, sind nicht Stimmen, sondern die Persönlichkeiten. Die Regisseure kümmern sich weniger um den Charakter der Person als um das Bühnenbild. Es geht oft um Modeerscheinungen, das stört mich.


Zurück zu Ihrem Leben als ‚normale Frau‘. Haben Sie das früher vermisst?
Nein, wie gesagt, man muss sich ja anpassen. Damals war das Schöne, dass man als Sängerin relativ viel Geld verdient hat. Es war aber auch viel Unsicherheit dabei. Man wurde ja pro Abend bezahlt: „Ka Geld, ka Musi. Ka Musi, ka Geld.“ Man hatte fürchterliche Angst, dass man am Tag der Aufführung nicht gut bei Stimme war. 


War die Umstellung schwierig?
Nein, aber es ist komisch. Früher habe ich mir einen Pelzmantel gekauft, wenn mir kalt war. Oder einmal wollte ich in Frankreich ein Kilo Kartoffeln kaufen und bin mit einem Jaguar nach Hause gekommen. Das geht heute nicht mehr. Dafür habe ich jetzt das andere Leben.


Wie sieht das aus?
Jetzt bin ich zwar alt, aber ich freue mich trotzdem, dass ich ein Leben habe in einem Heim, mit meinem Mann zusammen und den Kindern in der Nähe. Das ist schön, das habe ich nie gehabt. Das kompensiert alles wieder. Ich weiß nicht, was wichtiger ist, ich glaube, die Familie.


Würden Sie noch einmal Sängerin werden?

Nein, nicht noch einmal. Zu viele Nervenleiden.


Aber es hat sich ausgezahlt?
Ja. Ich hab das gern auf mich genommen, es machte mir ja Freude. Wenn man so richtig schön geschrien und es den Leuten gut gefallen hat, dann ist das eine ungeheure Befriedigung. Besser als Liebe zu machen. Das ist toll, über das Orchester so richtig loszuschreien. Das macht einen unbändigen Spaß.

TIPP

Christa Ludwig rezitiert am 22. Mai um 11 Uhr in der Staatsoper

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