»Wertvolle« Einkaufswelten im Fokus

Shoppingcenter. Ethische und Umweltkriterien rücken auch bei Einkaufszentren immer mehr in den Vordergrund.

von Peter Matzanetz„Ich shoppe, also bin ich.“ So lautet der Slogan eines englischen Einkaufszentrums in gewagter Abwandlung eines aus der Philosophie bekannten Satzes. Jenes Beispiel griff der Philosoph Peter Koslowski vor den Teilnehmern des 13. Shopping-Center-Symposiums am 12. Mai in Wien auf und betonte damit den Faktor der Bedürfnisbefriedigung beim Einkaufen. Darin, diese für die Kunden bestens zu erfüllen und gleichzeitig die Wertschöpfung im Haus zu maximieren, liege die Kunst.

Marktplätze müssen bezüglich Shopping-Erlebnis punkten, aber auch den Nerv der Zeit treffen. Und diesbezüglich sieht RegioPlan Geschäftsführer, Wolfgang Richter, zusätzliche Kundenwünsche aufkommen: „Vermehrt wird auch nach ethischen und Umweltkriterien ausgesucht“, sagte er beim Shopping-Center-Symposium. Der Fair-Trade-Gedanke könnte also auch in den Einkaufszentren Einzug halten. Voraussetzung sei allerdings, dass die vermittelten Werte sich nicht in der Vermarktung erschöpfen würden, denn das würde nach kurzer Zeit nicht mehr angenommen. Kulturforscher Bernhard Heinzlmaier erklärt trendiges Einkaufen damit, dass sich Konsumenten mit den Produkten sehr stark identifizieren: „Die Menschen treffen ihre Kaufentscheidung nach ästhetischen Prinzipien und als Definition des persönlichen Lebensstils.“

Werterhaltung im Fokus

Das Nachhaltigkeitsthema macht auch vor Einkaufszentren nicht halt. Markus Neurauter, Managementsprecher vom Projektentwickler Raiffeisen evolution betrachtet es als unvermeidlich, neue Zentren auf nachhaltigen Standards basierend zu entwickeln. Dies sei erforderlich, um die Marktfähigkeit für die Gebäude auch in Zukunft garantieren zu können.

Wobei er das Thema auf das Wesentliche zurückführt: „Nachhaltig zu denken, bedeutet auch, sich zu fragen, ob die Leute in Jekaterinenburg einen Luxustempel mit Top-Labels brauchen – wenn die Bevölkerung kämpft, sich Grundnahrungsmittel leisten zu können.“ Es muss demnach stark im regionalen Kontext gedacht werden. Westliche Standards scheinen sich so gesehen schwer übertragen zu lassen. In Osteuropa oder China herrschen schließlich andere Vorstellungen. Daher sei es problematisch, ein Einkaufszentrum ohne Berücksichtigung seiner Umgebung zu betrachten. Nichtsdestotrotz streben Developer die Erlangung von international anerkannten Öko-Zertifikaten an.

Überzeugungsarbeit lohnt sich

Walter Wölfler, Leiter der Projektentwicklungen im Handelsbereich bei der Immofinanz AG, betrachtet diesbezügliche Überzeugungsarbeit, die mancherorts in Osteuropa geleistet werden müsse, als notwendig: „Schließlich wird viel Kapital investiert, und ein Verkauf muss auch in fünf oder zehn Jahren noch gut möglich sein.“ Die zukünftigen Möglichkeiten, ein Objekt zu verkaufen, spielen eine motivierende Rolle. Und eine nachhaltige Bauweise soll die spätere Veräußerung garantieren. „Marktfähig bleiben“ lautet auch das Motto für Wölfler: „Ein Development ist dann gut, wenn ich es jederzeit auf den Markt bringen kann.“

Wie der „Grün-Faktor“ in Zukunft bewertet werden wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Auch dieses Thema ist schließlich dem Wandel der Zeit unterworfen, und Zertifikate können sich überholen. „Ein Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, ist, dass sich die Werte ständig ändern,“ weist Neurauter auf einen Kernpunkt im heutigen Immobiliengeschäft hin. Änderungen in der Wertschätzung könnten eine Transaktion angesichts des weiten Zeithorizonts von Immobiliendevelopments wesentlich beeinflussen. Angesichts dessen relativiert der Wissenschafter Koslowski den Nachhaltigkeitsbegriff: „Schon die Werterhaltung eines Objektes ist als nachhaltig auszulegen.“
Auf lange Sicht wertbeeinflussend ist die gesamte Ausrichtung eines Centers und die Offenheit gegenüber Markttrends. „Die Erwartungen an Einkaufszentren werden immer komplexer“, meint Koslowski und führt als Beispiel die Familientauglichkeit an.

Aber auch bei neuen Formen des Angebots müssen die Center-Manager reagieren. Die sogenannten Retailer neuen Zuschnitts haben genau definierte Ansprüche und klopfen die Handelsplätze daraufhin ab. Elektronikunternehmen mit hoher Beratungsintensität beispielsweise verfügen oft nur noch über ein Ausgabedesk. Ein anderes Beispiel ist die deutsche Nahrungsmittelkette Backwerk, die auf Selbstbedienung setzt. Ingrid Dubowy, Geschäftsführerin des Franchisebetriebs in Österreich, ergänzt: „Ein wesentliches Thema ist, ob unser Angebot sich mit den anderen Mietern ergänzt und ob eine entsprechende Aufenthaltsdauer der Kunden vorhanden ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2011)

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