Spindelegger sucht den Schüssel-Weg

Spindelegger sucht den Schüssel-Weg
Spindelegger sucht den Schüssel-WegNeo-Parteichef Michael Spindelegger (c) APA (Barbara Gindl)
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Der neue Parteichef wurde nach einer sehr nüchternen Grundsatzrede mit 95,5 Prozent beim Parteikongress in Innsbruck gewählt. Er will sich gegen "dumpfen Anti-Wirtschaftspopulismus der SPÖ" zur Wehr setzen.

Innsbruck. Es war eine heftig akklamierte Passage und einer der dramaturgischen Höhepunkte der Rede. Michael Spindelegger bekannte sich vor seiner Obmannkür in Innsbruck überraschend deutlich zur Politik Wolfgang Schüssels: „In diesem Jahrhundert warst du es, lieber Wolfgang Schüssel, der diesem Land seinen Stempel aufgedrückt hat. Du hast die Wende zustande gebracht. Plötzlich haben die Menschen gespürt: Ein ordentliches Budget ist wichtig und machbar, Politik muss die gestaltende Kraft sein, die Reformen vorantreibt. Der Staat schafft Rahmenbedingungen, aber soll nicht alle Lebensbereiche durchdringen.“ Damit wolle er, Spindelegger, nun weitermachen. Josef Pröll wäre so etwas vermutlich nicht so leicht über die Lippen gekommen.

Es hätte eigentlich der Programmkongress der Partei sein sollen, doch der überraschende Abgang Josef Prölls machte einen Personalkongress notwendig. Und so hielt Spindelegger eine einstündige, nüchterne, aber programmatische Rede – auch um sich und seiner Partei die Ecken und Kanten zu geben, die so viele in der ÖVP in den vergangenen Monaten vermisst hatten. Neben der Nennung Schüssels versuchte er dies, indem er deutlich betonte, dass die ÖVP eine Wirtschaftspartei sei.

Nervosität um Wirtschaftspartei

Der bisherige ÖAAB-Chef war vor seiner Nominierung mit Kapitalismuskritik aufgefallen, hatte sich vor allem die Rückkehr zu christlichsozialen Werten auf die Fahnen geschrieben. Zuletzt war in der Parteiführung die Nervosität gestiegen; Gerüchte um die Gründung einer Wirtschaftspartei nahmen zu, Pläne dafür werden konkreter. Spindelegger erwähnte sie: „Die von unseren Gegnern lancierten Gerüchte über die Gründung einer Wirtschaftspartei werden uns sicher nicht daran hindern, unbeirrt unseren Weg zu gehen!“ Dass die Gerüchte ernst genommen werden, hat vor ihm Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl klargemacht: „Wir brauchen keine neue Partei, wenn wir die ÖVP erneuern.“ Von einer Moskau-Reise aus hatte Leitl gewarnt, die Umbildung sei der „letzte Aufruf“ an die Regierung zu Reformen.

In Richtung Koalitionspartner SPÖ sagte Spindelegger daher: „SPÖ-Eigentumssteuern auch nur anzudenken, die Gruppenbesteuerung auch nur infrage zu stellen, das ist fahrlässig! Mit einem dumpfen Anti-Wirtschaftspopulismus der SPÖ kann man keinen Staat machen.“

Vergleich mit Kriminellen

Indirekt verglich Spindelegger die SPÖ sogar mit Kriminellen: So wie die ÖVP das Eigentum der Österreicher vor der SPÖ schütze, müsse Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Österreich vor den Kriminellen schützen.

Klares Ziel der ÖVP sei es, ein neues, gerechteres Steuersystem zu schaffen: „Ich will ein neues Steuersystem: weniger, einfacher, leistungsgerechter“, so Spindelegger. Finanzministerin Maria Fekter soll dieses ausarbeiten. Die heutige Abgabenquote in Österreich sei einfach zu hoch, so der ÖVP-Chef. Und: Fast 50 Prozent der Steuerpflichtigen zahlten keine Einkommensteuer, bekämen aber zahlreiche Transferleistungen. Der Mittelstand zahle mehr Steuern, bekomme aber weniger Transfers. Der Mittelstand dürfe nicht länger die Melkkuh der Nation sein. Dennoch will er weiter für eine Finanztransaktionssteuer eintreten.

Mit einem anderen Schwerpunkt tut sich Spindelegger hörbar leichter: Dass für ihn die Familie die wichtigste Institution der Gesellschaft ist, weiß jeder, der ihn kennt. „Ich bin aber überzeugt: Es gibt heute wieder eine starke Sehnsucht nach Familie. Wir wollen nicht die Familie verstaatlichen, sondern für sie die optimalen Rahmenbedingungen bereitstellen. Daher fordere ich eine neue Steuersystematik, die Familien berücksichtigt. Eine Steuerreform muss eine klare Entlastung der Familien mit Kindern bringen.“ Das wird mit 99-prozentiger Sicherheit das wichtigste Thema im kommenden Wahlkampf.

Immerhin satte 95,5 Prozent bekam Spindelegger dann von den Delegierten bei der Wahl zum ÖVP-Obmann. Dies, obwohl er im Vorfeld vor allem die steirische Landesorganisation und den Bauernbund durch seine personellen Entscheidungen beim Umbau des Regierungsteams vergrämt hatte.

Programmdebatte in Konventen

Aufgeschoben wurde aufgrund der Personalrochade an der ÖVP-Spitze die Debatte über ein neues ÖVP-Parteiprogramm. Diese war ursprünglich an diesem Wochenende beim Parteikongress in Innsbruck vorgesehen. Das geltende Programm stammt aus dem Jahr 1995. Die inhaltliche Diskussion soll nun in den kommenden Monaten in voraussichtlich insgesamt vier Konventen der Bundespartei – und somit rechtzeitig vor der Nationalratswahl 2013 – zu Schwerpunktthemen nachgeholt werden. Im Kern wird es dabei um Familie, Bildung, Wirtschaft/Arbeit und Steuern/Leistung gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21. Mai 2011)

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