Lars von Trier: "Das war eben dänischer Humor"

(c) AP (Jonathan Short)
  • Drucken

Manche Dänen glauben an Spaß ohne Grenzen. Das zeigte sich schon bei den Mohammed-Karikaturen und nicht erst beim Hitler-Sager des Regisseurs Lars von Trier. Dass man zur Rechenschaft gezogen wird, ist selten.

Lars von Trier sei „sicher kein Nazi, aber ein Idiot“ – so reagierte eine Studentin der Kopenhagener Filmakademie auf die jüngsten Tiraden ihres berühmten Landsmanns beim Filmfestival in Cannes, und sie fasst so die Reaktionen in Dänemark treffend zusammen. „Blödmann Trier“ titelte das Boulevardblatt „Ekstra Bladet“, „Dummkopf“ heißt ihn die „Jyllands-Posten“.

Niemand in Dänemark, außer der winzigen Nazi-Fraktion, die ihn für seinen „Mut“ lobt, hat Sympathie für das „Verständnis“, das der Regisseur in einem Interview für Hitler geäußert hatte, auch wenn der „ein paar schlimme Dinge“ getan habe. Oder für den Sager: „Okay, ich bin Nazi!“ Doch das Entsatzheer kommt rasch, denn was einer sagt, gilt in Dänemark stets als harmlos. Da kann man gegen andere hetzen, wie man will: Dass man zur Rechenschaft gezogen wird, ist extrem selten. „Meinungsfreiheit“ heißt das, und die umfasst auch Neonazis, die in Kopenhagen legal einen Radiosender betreiben.

„Rausschmiss war übertrieben“

Dass die Festivalleitung in Cannes von Trier rauswarf, sehen indes manche Dänen als berechtigt. „Es ist ihre Aufgabe, zu sichern, dass sich das Festival um Filmkunst dreht und nicht um deplatzierte Plattitüden“, schreibt die Zeitung „Politiken“. Andere halten den Rausschmiss für wild übertrieben: „Völlig lächerlich“, meint von Triers Kumpel und Kollege Jørgen Leth. „Lars liebt eben die Provokation“, und er habe ja nicht den Nazis gehuldigt, sondern nur deren Ästhetik.

Von Triers Worte seien unangebracht, aber nichts, worauf das Festival so zu reagieren brauchte, sagt Peter Schepelen, Lektor für Filmwissenschaft an der Kopenhagener Uni. Kulturminister Per Stig Møller sagte: „Ich bin verwundert.“ Die Äußerungen seien „unklug und unsympathisch“ gewesen, doch von Trier habe sich entschuldigt. Und fertig.

Wie ernst die Entschuldigung gemeint war, ist zweifelhaft. Tags darauf sagte von Trier, er sei stolz, als erster in der Filmgeschichte aus einem Festival geflogen zu sein. Dann sagte er, dass er zu jedem Wort stehe: „Das war halt der dänische Humor, den nur Dänen verstehen.“ Und nicht die Weltpresse. Zudem sei alles Schuld der Franzosen. Die hätten die Juden „jahrhundertelang wie Scheiße behandelt“ und seien daher so empfindlich bei dem Thema.

Was der Film- und Fernsehmacher („Hospital der Geister“, „Dancer in the Dark“, „Antichrist“) abgesondert hat, sei indes „nicht dänischer, sondern kranker Humor“, schreibt „Politiken“. Es hat tatsächlich was typisch Dänisches, wenn einer meint, für Spaß und Ironie gebe es keine Grenzen. Da zieht sich ein roter Faden von von Triers Nazi-Stunt zu Plänen für einen Jesus-Porno, mit denen sein Vorläufer Jens-Jørgen Thorsen in den 1970ern Christen empörte, oder zu den Mohammed-Karikaturen, die 2006 die islamische Welt aufstachelten. Was nicht bedeutet, dass die, die damals am lautesten „Meinungsfreiheit“ riefen, nun von Trier unterstützen. Im Gegenteil: „Jyllands-Posten“, die die Mohammed-Comics druckte, nennt es „befreiend“, dass ein Strich gezogen worden sei, der zeige, was sich auch „sogenannte Genies nicht erlauben“ könnten. Es gebe eine Grenze, über die auch Komödianten und Regisseure nicht erhaben seien, so die Zeitung „BT“, und zieht sie bei „Sympathie für einen der größten Massenmörder“.

Ein Nazi sei Lars von Trier nicht, sind sich alle Dänen einig, selbst wenn seine Ästhetik und Menschenführung totalitäre Züge haben. Sicher hat er aber einen Nazi-Tick. Er habe in einem „Nazi-Hotel“ geschlafen, sagte er, als er einst in Puttgarden gestrandet war – das ist ein deutscher Ostseeort. Beim Filmfestival Göteborg teilte er einmal das Taxi mit einem deutschen Journalisten. Als der anbot, die Fahrt zu zahlen, sagte von Trier: „Angesichts dessen, was dein Land meinem angetan hat, ist das angemessen.“ Ob das dänischer Humor war?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Lars TrierEklat Israel bestellt
Film

Cannes-Eklat: Israel bestellt neuen von-Trier-Film ab

"Melancholia" wird in Israel und Argentinien nicht zu sehen sein. Der Regisseur hatte sich positiv über Hitler geäußert und Israel kritisiert.
Lars Trier Schwein sein
Film

Lars von Trier: "Ich mag ein Schwein sein, aber kein Nazi"

Mit Aussagen über Hitler löste Lars von Trier in Cannes einen Eklat aus. Obwohl er sich wenig später entschuldigte, erklärte in die Festivalleitung zur "persona non grata". Er bleibt jedoch im Wettbewerb.
Subtext

Ist er ein Nazi? Aber nein, er ist einfach nur Lars!

„Okay, ich bin ein Nazi“, meinte Provokationskünstler Lars von Trier und wurde dafür in Cannes zur Persona non grata erklärt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.