Skepsis an der Parteibasis: „Sehe für die nächste Wahl schwarz“

„Presse“-Rundruf. Gedämpfte Erwartungen nach dem Obmannwechsel: So mancher ÖVP-Ortschef in den Ländern hätte Alternativen zu Spindelegger gesehen. Dieser müsse nun bei Themen von der Bildung bis zu den Pensionen „Flagge zeigen“. Sonst drohe 2013 Platz drei hinter SPÖ und FPÖ.

Bärnbach/Schärding/Lofer. Wenn es mehr wie ihn gäbe, müsste sich der neue Bundesparteichef Michael Spindelegger weniger Sorgen um die Volkspartei machen. Ewald Bramauer, 32, Weststeirer mit Burschen-Charme, ist mit seiner Werbeagentur im Telepark in Bärnbach ein Ein-Mann-Unternehmer. Er ist genau der Typ in der Altersklasse, die die ÖVP ansprechen möchte. Bei Bramauer ist das nicht mehr notwendig, er ist seit 2009 ÖVP-Stadtparteiobmann und hat im Kohlerevier mit vier Mandataren gegen 19 Rote kein leichtes Leben.

Unglücklich wegen Neugebauer

Schon vom zurückgetretenen Obmann Josef Pröll („Ich habe sehr viel von ihm gehalten“) sei er etwas enttäuscht gewesen, Spindelegger sei er wohlgesonnen. Aber, so Bramauer bei einem – naturgemäß nicht repräsentativen – „Presse“-Rundruf unter schwarzen Funktionären in den Ländern: „Da bin ich ein bisschen skeptisch.“

In der ÖVP würden ihn vor allem die ständigen Blockaden durch Beamtengewerkschaftschef Fritz Neugebauer stören. Und: „Für die nächste Nationalratswahl sehe ich schwarz.“ Ob er 2013 einen Rückfall auf den dritten Platz befürchte? „Da müssten schon Wunder passieren, wenn das nicht eintritt.“

„Nicht das größte Charisma“

Ähnlich skeptisch ist man in Oberösterreich: Die Bundespartei habe „die Verbindung zu den Leuten verloren“, sagt etwa der Bürgermeister von Schärding, Franz Angerer. Statt Erneuerung nach dem Obmannwechsel habe es lähmende Diskussionen über die Bünde oder über die Herkunft der Regierungsmitglieder gegeben. Dabei müssten endlich Reformen angegangen werden. Ob Spindelegger der richtige Mann sei, um das Ruder für die Schwarzen noch herumzureißen? „Er ist sicher nicht der mit dem größten Charisma.“ Mehr Außenwirkung hätte „zum Beispiel“ Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, glaubt Angerer.

Kommunalpolitikerin Pauline Sterrer aus Rüstorf im Bezirk Vöcklabruck glaubt ebenfalls, „es hätte neben Spindelegger auch andere gegeben“. Etwa die – oberösterreichische – Finanzministerin Maria Fekter. Sie hätte den notwendigen Antrieb in die Partei zurückbringen können: „Ihr traue ich alles zu“, sagt Sterrer. Spindelegger müsse nun Themen anpacken. „Warum wurde die Hacklerregelung nicht abgeschafft? Warum gibt es keine Generationengerechtigkeit? Auf Gemeindeebene herrscht große Verärgerung über die Haltung der Bundesregierung. Der Parteichef muss hier Flagge zeigen.“

Um die Verteidigung der 73,11 Prozent aus der Kommunalwahl 2009 sorgt sich angesichts der aktuellen ÖVP-Performance Johann Thauerböck, Bürgermeister der schwarzen Hochburg Rechberg im Bezirk Perg: „Wir werden alle mithelfen müssen.“ An Spindelegger will er trotzdem glauben, „mit ihm werden wir wieder punkten“.

Das glaubt – oder hofft – auch Sonja Ottenbacher, ÖVP-Bürgermeisterin in der Pinzgauer Gemeinde Stuhlfelden. Gerade auf dem Land hätten die Menschen aber oft das Gefühl, dass in Wien abgehoben regiert werde. Es brauche auch auf Bundesebene Politiker, die man „angreifen“ könne. Das solle Spindelegger – so wie Josef Pröll – beherzigen.

Bettina Mitterer, seit 2004 ÖVP-Ortschefin in Lofer, wünscht sich von der neuen Parteispitze klare Signale, dass inhaltlich etwas weitergehe. Es müsse mehr um sachliche Lösungen, nicht um das Einzementieren ideologischer Standpunkte gehen. Für Lösungen solle man auch besser mit dem Koalitionspartner SPÖ zusammenarbeiten.

Rückhalt aus Niederösterreich

Fast schon logisch ist, dass Spindelegger – immerhin ein Landsmann – den Rückhalt des ÖVP-Bürgermeisters von Klosterneuburg, Stefan Schmuckenschlager, hat: „Er hat das Format eines Staatsmanns. Und er kann die Ärmel hochkrempeln.“ Der Neoparteichef müsse nun aber vor allem ein schlagkräftiges Team aus Experten bilden, das Themen von der Bildung bis zur Energie aufarbeitet. „Die ÖVP muss rasch ihr Profil finden. Die FPÖ hat bereits ein starkes.“ Das Ziel der Volkspartei für 2013 sei klar: „30 Prozent plus.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2011)

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