Spindeleggers Glück und mögliches Ende

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Könnte der neue ÖVP-Obmann Michael Spindelegger nach einiger Zeit auch außerhalb eines Parteitags Sieger sein? Eher nicht. Damit ist er in guter Gesellschaft.

Die Partei hat er gewonnen, die echte Wahl draußen ist dann gar nicht mehr so wichtig. So ähnlich wird Michael Spindelegger gedacht haben, als er gerührt den schönen, aber kurzen Moment des Funktionärsjubels und Applauses auf dem Parteitag in Innsbruck auskostete. Sogar Erwin Pröll klatschte.

Eine Stunde lang hat Spindelegger am Parteitag geredet, er hat sogar potenzielle Pointen eingebaut und am Schluss fast locker gewirkt. Vermutlich hatte er sich zur Vorbereitung noch einmal seine Ausgangslage vergegenwärtigt, und die ist so schlecht, dass sie nur besser werden kann. In fast allen Umfragen liegt die ÖVP auf Platz drei, hat demnach nicht viel mehr als 22 Prozent der Wähler hinter sich.

Von diesem Niveau aus müsste auch Fritz Neugebauer als Parteichef zulegen. Mag sein, dass es attraktivere, charismatischere und schwergewichtigere Politiker in der Zweiten Republik gab, aber der Spitzenmann des direkten politischen Gegners, Werner Faymann, ist keiner von ihnen. Stimmt schon, Spindelegger muss mehr Angst vor Heinz-Christian Strache haben, aber gegen den hat es jeder Parteichef schwer.

Vielleicht sollte Spindelegger die Idee einer neuen Wirtschaftspartei nicht sofort als böses SPÖ-Gerücht und linke Verschwörung abtun. Eine solche Partei könnte vielleicht dafür sorgen, dass nach der nächsten Wahl eine neue, etwas dynamischere Koalition aus drei Parteien ans Ruder kommt. Mit oder ohne ÖVP.

Abstiegsrisiko. Das zweite Szenario böte der Volkspartei übrigens die gute Gelegenheit, sich nach 25 Jahren in der Regierung wieder ein wenig aufzufrischen. Das birgt natürlich ein nicht unbeträchtliches Abstiegsrisiko, aber nach einem Vierteljahrhundert soll es in Demokratien bisweilen vorkommen, dass eine Partei einmal nicht in der Regierung sitzt. (Obwohl die SPÖ 2000 behauptete, ohne sie sei ein totalitäres Regime nicht weit.) Oder aber es kommt alles ganz anders, und Michael Spindelegger hat nicht genug Zeit zu beweisen, dass er ein Gewinner werden könnte. In der SPÖ überlegen nicht wenige, ob Neuwahlen – als Koalitionsbruch und Auslöser bietet sich die Wehrpflicht-Debatte an – Platz eins nicht gerade jetzt einbetonieren könnten. Dass Heinz-Christian Strache gewinnen würde, glaubt man in der Löwelstraße nicht: Noch nie stand ein Haider- oder Strache-Wähler vor der Situation, mit seiner Stimme womöglich den Kanzler zu wählen. Protestwählern, die SPÖ und ÖVP eine Ohrfeige geben wollten, könnte das zu viel der Verantwortung sein.

Und dass ein SPÖ-Spitzenkandidat wie Faymann mit dem Vorbild Michael Häupl lieber auf das inszenierte Duell mit Strache denn auf komplizierte Sachthemen setzt, darf man voraussetzen. Spindelegger wäre dann in der unangenehmen Rolle des dritten Rads am Wagen. Aber in diesem Fall könnte er wenigstens Wiens ÖVP-Chefin Christine Marek fragen, was man in einer solchen Situation denn macht. Oder besser: was man nicht macht.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2011)

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