Türkisch-Lehramt: Druck auf Regierung steigt

(c) Clemens Fabry
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Österreichs Hochschulen sollen mit der Ausbildung von Türkischlehrern beginnen, fordern die Grünen in einem Entschließungsantrag. Die Unterrichtsministerin müsse einen „Aktionsplan“ vorlegen.

Wien. Es ist der nächste Vorstoß in einem Konflikt, der die Bundesregierung erst im Vormonat in Erklärungsnotstand gebracht hat: Die Grünen fordern in einem Entschließungsantrag an den Nationalrat die rasche Einrichtung von Türkisch-Lehramtsstudien an den österreichischen Unis und Pädagogischen Hochschulen. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) müsse „durch Verordnungen und Maßnahmen die notwendigen Rahmenbedingungen für die Einführung des Lehramts Türkisch“ herstellen und dem Nationalrat einen entsprechenden Aktionsplan präsentieren, heißt es in dem Antrag, der der „Presse“ vorliegt.

Denn: Nur so könne das Ziel, Türkisch möglichst bald als Maturafach an österreichischen Schulen einzuführen, realisiert werden, sagt Alev Korun, Integrationssprecherin der Grünen. Dass Türkisch endlich als zweite lebende Fremdsprache in den Lehrplänen der höheren Schulen verankert werde, sei „angesichts von 263.000Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Österreich und wachsenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei nicht nur sinnvoll, sondern überfällig“, heißt es im Antrag.

Wirtschaftliche Potenziale nutzen

Der Grund: Viele aus der zweiten und dritten Migrantengeneration würden zwar noch Türkisch sprechen, aber nicht lesen oder schreiben können, so Korun. „Um die vorhandene Mehrsprachigkeit zu fördern und das wirtschaftliche Potenzial dieser Zweisprachigkeit und Bikulturalität zu nützen, ist der Türkischunterricht in den höheren Schulen sinnvoll“, heißt es in dem Antrag. Dieser eröffne „neue wirtschaftliche Chancen“, sagt Korun. Immerhin sei Österreich einer der größten europäischen Investoren in der Türkei. Es stelle sich jedoch die Frage, woher die Türkischlehrer kommen sollen, wenn man in Österreich Türkisch nicht im Lehramt studieren kann.

Die beiden Koalitionsparteien haben eine schwieriges Verhältnis zu dem politisch heiklen Thema, wie die Debatte im April dieses Jahres gezeigt hat: Wie „Die Presse“ damals berichtete, planten SPÖ und ÖVP hinter verschlossenen Türen bereits die Einführung des neuen Maturafachs – ruderten jedoch zurück, nachdem dies öffentlich geworden war.

Korun: „Kein Entweder-oder“

Von dem Start des entsprechenden Lehramtsstudiums ab 2012 (an dessen Lehrplänen die Uni Graz in Abstimmung mit Schmieds Ministerium bereits arbeitet) wollte plötzlich niemand mehr etwas wissen. Türkisch als zweite lebende Fremdsprache in den Fächerkanon aufzunehmen, habe keine Priorität, hieß es angesichts breiter medialer Aufregung. Für Korun liegen die Gründe dafür auf der Hand: „Es geht hier um mehr als eine Sprache.“ Türken seien in der Wahrnehmung vieler Menschen eine „Problemgruppe“. Viele hätten Angst, dass der Türkischunterricht migrantische Jugendliche am Deutschlernen hindere. „Es geht aber nicht um ein Entweder-oder“, so Korun: Jugendliche mit Migrationshintergrund, die eine höhere Schule besuchen, würden ohnedies bereits gute Deutschkenntnisse aufweisen.

Rückenwind für die Grünen kommt nicht nur von Bildungsexperten, die auf den Wert der Muttersprache für die Bildungskarriere von Migranten hinweisen. Auch innerhalb der Koalition stießen die zurückhaltenden Kommentare der eigenen Parteien auf Unverständnis: So sprach sich ÖVP-Wissenschaftssprecherin Katharina Cortolezis-Schlager im „Presse“-Interview für die „rasche Einführung“ eines Lehramtsstudiums Türkisch aus. Positive Signale kamen zuletzt auch aus dem ÖVP-geführten Wissenschaftsministerium.

Auf einen Blick

Im Fächerkanon österreichischer höherer Schulen sind 14 lebende Fremdsprachen verankert – neben Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch sind das u.a. Polnisch und Tschechisch. Auch Kroatisch und Slowenisch finden sich in den Lehrplänen. An einer Wiener Schule kann im Rahmen eines Schulversuchs in Türkisch maturiert werden, an zweien in Bosnisch/Kroatisch/Serbisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2011)

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