Von den Stars sollst du dir Bildnisse machen

Nicht nur Bob Dylan und Lady Gaga werden gern als Ikonen bezeichnet. Was macht den Reiz dieses Wortes aus? Das religiöse Flair?

Lady Gaga hat seit gestern ihr neues Album auf dem Markt, Bob Dylan feiert heute seinen 70.Geburtstag (wir haben ihn schon am Samstag im „Spectrum“ gefeiert): Beiden wurde in den letzten Tagen immer wieder das Prädikat „Ikone“ umgehängt. „Refractions of Bob Dylan – Cultural Appropriations of an American Icon“ hieß ein spannendes Wiener Symposium über Dylan. Lady Gaga stehe „am Scheideweg zwischen greller Pop-Sternschnuppe und Kultur-Ikone“, befand indessen der „Kurier“.

Was macht den Reiz dieses Wortes aus? Es klingt tiefsinniger als das sachliche „Star“ und seine Steigerungen (Superstar, Megastar, Gigastar, Terastar etc.). Und mehr noch als das ebenfalls dauerhaft beliebte Prädikat „Legende“ (das aber erst nach einigen Dienstjahren verliehen wird) hat es einen heiligen Touch: Die Religions- und Kunstgeschichte kennt Ikonen als geweihte Kultus- und Heiligenbilder der Ostkirchen; wer sie verehrt, meint nicht das Bild, sondern die Wahrheit hinter dem Bild. Die ersten Ikonoklasten (im Byzanz des achten Jahrhunderts) zerstörten Ikonen, weil sie jeden Versuch, Göttliches abzubilden, für Frevel im Sinne des zweiten Gebots hielten.

Im Gegensatz zur „Legende“, in der mitschwingt, dass man von ihm/ihr lesen kann, hat die „Ikone“, wie wir sie heute verstehen, jedenfalls visuellen, bildlichen Charakter, sie kommt ja auch vom altgriechischen Wort für Bild. Das passt auf Dylan (man denke nur ans perfekt inszenierte Cover von „Blonde On Blonde“) und auf Lady Gaga, deren Bild, deren Image, so radikal in unterschiedliche Bilder aufgelöst ist, dass es unmöglich ist, eine „typische“ Darstellung von ihr auszuwählen, etwa für Ikonografie à la Warhol oder für ein „icon“ in einem Computerspiel.

Unter „icon“ versteht man heute meist ein Piktogramm auf der Benutzeroberfläche eines Computers, etwa das Bild eines Papierkorbs, das den (virtuellen) Ort symbolisiert, in den man überflüssige Dateien wirft. Gefördert wurde diese Art nichtverbaler Darstellungen vor allem von der Firma Apple (während IBM mit „Befehlszeilen“ im Gutenberg-Zeitalter blieb). Die auch 1998 erstmals – für den Computer iMac das kleine „i“ verwendete, das uns in iPad, iPod etc. selbstverständlich geworden ist. Es sei, erklärte die Firma damals, wahlweise von „internet“, „individual“, „instruct“, „inform“ oder „inspire“ abzuleiten.

Nicht von „icon“, was viel näher läge. Nicht von „idol“, das vom altgriechischen Wort für Trugbild kommt. Nicht von „eye“, was semantisch aufs Gleiche hinausliefe. Und auch nicht von „I“, dem englischen Wort für „ich“, das die Rastas gern in einer Art von Majestätsplural zu „I and I“ verdoppeln. Auch von Dylan gibt es einen Song namens „I And I“ (auf „Infidels“, 1983), in ihm findet sich der schöne Satz: „I've made shoes for everyone, even you, while I still go barefoot.“ Der Vergleich, sagen manche Dylan-Kenner, liege in der Familie: Der Großvater Dylans war Schuhmacher in Odessa, bevor er vor antisemitischen Pogromen in die USA flüchtete.

„Born This Way“ heißt Lady Gagas neues Album: Der Titel spielt mit der Illusion von biografischer Wahrheit in ihren Songs. „My mama told me when I was young, we are all born superstars“ heißt es im gleichnamigen Song. Jedes „I“ eine Ikone, sozusagen.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2011)

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