Proteste, die kein Ziel haben, verlaufen sich rasch. Das wird auch für Spanien gelten.
Die Protestwelle in Spanien kommt nicht überraschend. Verwunderlich ist vielmehr, dass ein Land mit einer Jugendarbeitslosigkeit von fast 45 Prozent nicht schon eher von sozialer Unruhe erfasst wurde. „Indignados“ – „Empörte“ – nennen sich die Demonstranten, die in Madrid und anderen Städten ihrem Ärger Luft machen. Die Selbstbezeichnung erinnert an das in jeder Hinsicht dünne Pamphlet „Empört euch“, in dem der 93-jährige Franzose Stéphane Hessel Europas Jugend zuletzt mit großer Geste (und Beliebigkeit) zum Widerstand aufrief.
Ähnlich unbestimmt wie die Protestschrift des Alten ist nun die Protesthaltung der Jungen. Und deshalb wird sich die Bewegung im Gegensatz zum Arabischen Frühling, der nun gern als Vergleich herangezogen wird, relativ schnell verlaufen. In Kairo und Tunis verdichtete sich die Wut zu einem konkreten Ziel: dem Sturz eines Diktators. Die spanischen Rufe nach einem „neuen politischen System“ werden ebenso verhallen wie die pauschalen Parolen gegen Banker, solange keine ernsthaften Alternativen zu Demokratie und Kapitalismus genannt werden können.
Was jedoch nicht so rasch verfliegen wird, ist die Frustration einer ganzen Generation, die keine Aussicht auf Jobs hat. Auch wenn schon bald keine Massen mehr durch europäische Städte ziehen sollten, birgt diese Konstellation zwei Gefahren: gesellschaftlichen Stillstand und Radikalisierung. Beides könnte unangenehme Folgen haben.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2011)