Konservativer Tsunami überrollt Spaniens Sozialisten

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Stürzt jetzt Spaniens Ministerpräsident José Luis Zapatero? Totengräberstimmung bei den regierenden Linken (PSOE) nach der brutalen landesweiten Niederlage bei den Regional- und Gemeindewahlen am Wochenende.

Madrid. Die katastrophale Niederlage der Regierungspartei von Spaniens Ministerpräsident José Luis Zapatero bei den Kommunal- und Regionalwahlen am Wochenende hat über Nacht die politische Landschaft im ganzen Land verändert. Viele spanische Medien sprachen sogar von einem „konservativen Tsunami“, der die sozialistische Partei in fast allen Regionen und den größeren Städten des Landes überrollte.

Ungefähr 35 Millionen Spanier hatten ihre Gemeindevertretungen neu gewählt, zudem wurden in 13 der insgesamt 17 spanischen Regionen die jeweiligen Regionalparlamente bestimmt. Im Ergebnis gewann die konservative Volkspartei (PP) in elf der 13 Regionen und verdrängte in vielen davon, etwa in Asturien, Aragon, Kastilien-La Mancha und auf den Balearen, die regierenden Sozialisten (PSOE).

Auch in den Gemeinden verloren die Sozialisten fast überall. Von den zehn größten Städten des Landes „gehört“ der Sozialistischen Partei bestenfalls nur noch das südliche Saragossa, sofern sie jedenfalls dort einen kleineren Koalitionspartner findet. In der zweitgrößten westspanischen Stadt Barcelona verlor sie das Bürgermeisteramt erstmals seit 32 Jahren, nämlich an die Katalanischen Nationalisten. Im landesweiten Schnitt kam die PP auf 37,6 Prozent, die Sozialisten fuhren mit 27,7 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit Jahrzehnten ein.

Proteste sollen weitergehen

Spanien steckt in einer tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise, die dem vor nicht allzu langer Zeit noch aufblühenden Land eine Massenarbeitslosigkeit von 21 Prozent, hohe Haushaltsneuverschuldung (9,3 Prozent im Vorjahr) und sehr harte Sparprogramme mit schmerzhaften Belastungen für die Bürger bescherte.

Die letzten Tage vor der Wahl protestierten zudem hunderttausende Menschen, vor allem der jungen Generation in zahlreichen Städten „für Arbeit, Wohnungen und gegen Korruption“ – Vertreter dieser Protestbewegung kündigten am Wochenende an, weitermachen und öffentliche Plätze, etwa die Puerta del Sol in Madrid, besetzt halten zu wollen.

Nach der Abstrafung der Sozialisten, die sogar ihre Hochburgen wie die andalusische Hauptstadt Sevilla und eben Barcelona verloren, wuchs der politische Druck auf Premier Zapatero, der seit 2004 regiert. Mitglieder der Parteiführung forderten, über „vorgezogene nationale Parlamentswahlen“ und einen „ideologischen Kurswechsel“ nachzudenken. Auch Oppositionschef Mariano Rajoy (56), der klar unangefochtene Sieger dieser Urnengänge, besteht auf einem vorzeitigen Abtritt Zapateros, um Spanien „Stabilität und Vertrauen“ zurückzugeben.

Ein lispelnder Triumphator

Zapatero selbst lehnte jedoch auch nach dem schlimmsten Wahldebakel seiner Karriere vorzeitige nationale Wahlen ab. Er wolle die aktuelle Amtsperiode und die begonnenen Wirtschaftsreformen zu Ende führen. Regulär wird im Frühjahr 2012, also in etwa einem Jahr, in Spanien eine neue Zentralregierung gewählt. Die Kommunal- und Regionalwahlen gelten hier traditionell als Testwahl, weil die dabei dominierende Partei meist später auch den Regierungschef stellt.

Angesichts seiner abgestürzten Popularitätswerte hatte Zapatero bereits im April angekündigt, dass sich seine Partei für 2012 einen neuen Kandidaten an der Spitze suchen müsse. Dass es aber gar so schlimm kommen und man gleich zehn Prozent hinter den Konservativen des bärtigen, leicht lispelnden und wenig charismatischen PP-Chefs Rajoy aus Galizien landen würde, hatte jedoch auch Zapatero keinesfalls erwartet. Immerhin wird die PSOE manche Rathäuser noch mithilfe der drittstärksten Partei, der „Vereinigten Linken“, halten können, die auf 6,3Prozent kletterte.

Im nordspanischen Baskenland wurde derweil die neue Unabhängigkeitsbewegung „Bildu“, die wegen ihrer ideologischen Nähe zur Terrororganisation ETA umstritten ist, auf Anhieb mit 25Prozent zweitstärkste Kraft hinter den Baskischen Nationalisten.

„Ihr repräsentiert uns nicht“

Die Beteiligung an dieser Wahl in Krisenzeiten lag mit etwa 66 Prozent leicht höher als vor vier Jahren. Es wurden neben 13 Ministerpräsidenten rund 8000 Bürgermeister und Gemeindeparlamente gewählt. Die Zahl der Protestwähler, die ungültige oder leere Wahlumschläge abgaben, stieg auf bemerkenswerte 4,2 Prozent.

Ein Teil dieser vergleichsweise vielen ungültigen Stimmen könnte auch aus den Reihen jener Protestierer stammen, die in vielen Städten zwischen der portugiesischen und französischen Grenze zum Boykott der traditionellen alten Großparteien aufgerufen hatten: „Wählt sie nicht!“ war und ist ihr Motto. Sie machen sowohl die Sozialisten als auch die Konservativen für die nicht schwächer werden wollende Wirtschaftskrise und die überall verbreitete Korruption verantwortlich. „Nein, nein“, riefen hunderte Menschen, die auf Madrids Plaza Puerta del Sol am Montag ausharrten, „ihr repräsentiert uns nicht.“

Auf einen Blick

In Spanien erlebten die Sozialisten bei den Regional- und Gemeindewahlen am Wochenende ein Cannae: In elf der 13 Regionen, in denen gewählt wurde, gewannen die Konservativen, sie eroberten mehrere davon von den Sozialisten. Von den zehn größten Städten ist maximal noch eine rot, gesamt kamen die Konservativen auf 37,6Prozent, die Sozialisten auf 27,7.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2011)

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