Großbritannien: Rigoros gegen Hooligans

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Höhere Strafen, höhere Eintrittspreise, höhere Polizistenzahlen: Die „Insel“ hat aus den blutigen Tragödien der 1980er-Jahre einiges gelernt.

London. Die Gewalt in und um den Fußball brachte das vermeintliche „beautiful game“ in Großbritannien in den 1980er-Jahren bis an den Rand der gesellschaftlichen Ächtung. Nach den Tragödien von Heysel 1985, als wild gewordene Liverpool-Fans den Tod von 39 Juventus-Fans verursachten, und Hillsborough, als 96 Liverpool-Anhänger bei einer Massenpanik in einem baufälligen Stadion ihr Leben verloren, setzte man radikale Schritte, die Wirkung zeigten.

„Heute sind englische Fußballplätze eindeutig sicherer als eine beliebige Innenstadt an einem Samstagabend“, schreibt der Soziologe Geoff Pearson von der Universität Liverpool. Dafür waren tiefe Schritte und Veränderungen erforderlich. Zunächst führten alle Regierungen ab Margaret Thatcher immer drastischere Gesetzesverschärfungen und gleichzeitig eine massive Ausweitung der Polizeibefugnisse ein. So kann die Exekutive auf Verdacht hin auch im weiteren Umfeld von Stadien Durchsuchungen und Festnahmen vornehmen. „Hooligans“ drohen nicht nur lebenslange Stadiensperren, sondern auch langjährige Gefängnisstrafen. In Schottland will die Regierung derzeit für Todesdrohungen per Internet eine Haftstrafe von fünf Jahren einführen.

Zu den verschärften Befugnissen der Exekutive kamen zahlreiche Restriktionen.

Kein Alkohol, keine Stehplätze

So verkaufen viele Vereine der Premier League keinen Alkohol während des Spiels. In und rund um die Fußballplätze überwachen Kameras der Verhalten der Fans lückenlos. Zudem wurden nach der Hillsborough-Tragödie in den beiden obersten Spielklassen Stehplätze abgeschafft. Obwohl in diesem Frühjahr die „Football Supporters Federation“ eine Unterschriftenaktion für ihre Wiedereinführung startete, hat die Initative keine Aussicht auf Erfolg: „Es ist allgemein anerkannt, dass Sitzplätze sicherer und komfortabler sind und zudem ein bessere Kontrolle der Zuschauer ermöglichen“, sagt Ruth Shaw von der „Football Licensing Authority“, die sich um die Sicherheit auf den Plätzen kümmert.

Tatsächlich sind die Vorfälle in englischen Stadien seit den 1980er-Jahren auf einen Bruchteil gefallen. In der vergangenen Saison wurden bei einer Besucherzahl von 34,6 Millionen in der Premier League 419 Verletzungen auf den Zuschauerrängen registriert. Häufigste Ursache: 108 Zuschauer wurden von einem Ball getroffen.

Der dritte wesentliche Faktor für die Beendigung der Gewalt im englischen Fußball ist der gesellschaftliche Wandel. Fußball ist heute „big business“, allein für die Übertragungsrechte 2010 bis 2012 zahlte der Sender Sky fast 1,8 Milliarden Pfund. Der einstige Unterklassensport ist heute oft zu einem Society-Event geworden, um den Preis eines Fußballspiels kann man dreimal ins Kino gehen, und eine „corparate box“ besuchen Promis heute wie einst Stars ihre Opernloge. Vielen treuen Fans bleibt nichts anderes, als sich mit billigem Dosenbier vor dem Fernsehen zu trösten. Das bleibt oft nicht folgenlos. In Glasgow, wo sich die Lokalrivalen Celtic und Rangers einen offenen Krieg liefern, verzeichnet die Polizei nach Spielen der „Old Firm“ eine Zunahme von bis zu 25Prozent an Anzeigen wegen häuslicher Gewalt. In dem Ausmaß, in dem Großbritannien ein raueres wirtschaftliches und gesellschaftliches Klima erleidet, nimmt aber auch die Gewalt im Fußball wieder zu. Gegen Celtic-Trainer Neil Lennon wurden zuletzt sogar Briefbomben aufgegeben. Die Polizei verzeichnete im Vorjahr eine Zunahme der Fälle von „Hooliganismus“ von 38 auf 109, meist in sicherer Entfernung der Stadien.

Der ehemalige Hooligan Cass Pennant, der heute Experte gegen Fußballgewalt ist, sagt: „Keine Arbeit, kein Geld, weitverbreitete Unzufriedenheit: Großbritannien ist heute ein Ort voller Ärger. Und manche Leute wollen da einfach einen Kampf.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2011)

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