Nachbauten aus Bangkok: Der Ferrari-Fälscher

Nachbauten Bangkok FerrariFaelscher
Nachbauten Bangkok FerrariFaelscher(c) EPA (IAN LANGSDON)
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Von wegen in Asien werden nur Rolex-Uhren und Prada-Handtaschen kopiert: In Bangkok baut Chris Pongpitaya ganze Luxussportautos nach – vom 911er Porsche bis zum Lamborghini Countach.

Die Sportwagensammlung in Chris Pongpitayas Werkstatt kann sich sehen lassen. Neben einem Lamborghini Countach steht ein Porsche 911 Carrera aus den 1980er-Jahren, dahinter parken drei Aston Martin DBS. Dazu noch ein Ferrari F50 und James Deans Porsche 550 Spyder. Das Gelände im Norden von Bangkok müsste eigentlich von einer eigenen Privatarmee gesichert werden. Stattdessen ist das hellblaue Schiebetor nur angelehnt.

Viel zu holen gebe es für Autodiebe hier allerdings nicht: Denn die scheinbar sündteuren Autos sind allesamt Kopien, von vielen steht erst die Kohlefaserkarosserie. Chris Pongpitaya ist nämlich ein Sportwagenfälscher.

Der dünne Mittvierziger, krauses schwarzes Haar, dichter 70er-Jahre-Oberlippenbart, gekleidet in ausgewaschenen Jeans und schlichtem dunklen T-Shirt, erzählt, wie alles einmal angefangen hat. Einen großen Teil seines Handwerks habe er in Deutschland gelernt, sagt er. 1979 habe er sich ein Flugticket nach Istanbul gekauft und sei von dort aus weiter über den Balkan nach Deutschland getrampt. „Das war ja in gewisser Hinsicht das Land meiner Träume. Ich war doch schon immer ein Autonarr, und Deutschland ist ja eine Autonation.“

Lehrjahre in Deutschland. Dann kam dort rasch die Liebe, und er heiratete eine Deutsche, mit der er heute eine Tochter hat. Chris lebte in Stuttgart und Essen und arbeitete auch lange Zeit für einen Porsche-Zulieferer. Drei Jahre lang habe er zudem für den Bottroper Autotuner „Brabus“ gearbeitet, fügt er hinzu. Als dann aber kurz nach der Wende von 1989 Neonazis Jagd auf vietnamesische Arbeiter machten und auch in Westdeutschland immer mehr Skinheads auftauchten, wurde es dem Thailänder Chris zu heikel: „Ich hatte keine Lust mehr, in Deutschland zu sein. Ich hatte Angst. Daher bin ich wieder nach Thailand zurückgekehrt.“

Zurück in seiner feuchtwarmen, südostasiatischen Heimat hat Chris dann eine Zeit lang mit Freunden Sport- und Lenkdrachen gebaut. Als dann einer seiner Geschäftspartner bei einer Auseinandersetzung ums Leben kam – Thailand hat übrigens eine doppelt so hohe Mordrate wie die Vereinigten Staaten –, ließ er jedoch von dem Geschäft rasch wieder die Finger. Was damals genau passiert ist, will Chris freilich nicht so genau erklären.

Am Anfang war der 911er. Im zentralen Stadtteil Ekkamai eröffnete er Ende der 1990er-Jahre seine erste Autowerkstatt. Thailand war inmitten einer massiven Wirtschaftskrise, und die Nachfrage nach billigen Ersatzteilen für Luxusautos war enorm. So stattete Chris zunächst Ferraris und andere teure Sportwagen mit Ersatzteilen aus, bis ihn eines Tages einer seiner Kunden fragte, ob er ihm nicht gleich einen kompletten Porsche911 nachbauen könne. Chris willigte ein. Es war der Beginn seiner Karriere als Konrad Kujau (Anfang der 1980er der legendäre Fälscher der angeblichen Hitler-Tagebücher, Anm.) der Automobilwelt.

Chris nahm also das Chassis eines gewöhnlichen VWKäfer und setzte eine selbst gebaute, kohlefaserverstärkte Karosserie drauf. Ein anderer, von Chris gebauter Fake-Porsche steht gerade für Wartungsarbeiten in der Werkstatt. Die Täuschung ist überwältigend: Auf den ersten Blick würde man niemals darauf kommen, dass der Porsche nicht echt ist.

Ein Aston Martin um 14.000 Euro. Bis heute bauen Chris' 15 Mitarbeiter auf diese Weise Kopien von Markensportwagen. So verwandeln sich alte Opel Calibras in Aston Martin DBS oder DB-9. Der Kunde hat die Wahl, ob er einen anständigen Sportwagenmotor einbaut oder es bei einem kleineren Motor belässt. „Meistens wollen die Kunden die billigeren kleineren Motoren“, lacht Chris. Ein auf diese Weise aufgemotzter Calibra kostet dann im Aston-Martin-Kostüm gerade einmal rund 14.000 Euro – das Original kostet in Thailand aufgrund der hohen Importzölle an die 500.000Euro. Die meisten Fälschungen gehen an Kunden in Thailand. Bestellungen kommen aber schon aus aller Welt. Seit Beginn der Wirtschaftskrise nehmen vor allem jene aus den Golfstaaten zu.

Chris Pongpitayas Firma heißt, in Anlehnung an seine Zeit in Deutschland, „Schönes“. „Der Name sollte deutsch klingen“, erklärt Chris, „denn Deutschland steht für Qualität!“ Dabei könnte sich seine Werkstatt, die nach einem Umzug heute im nördlichen Stadtteil Lad Prao liegt, kaum stärker von den Hightechlabors westlicher Sportwagenbauer unterscheiden: Das Gebäude besteht im Wesentlichen aus einem großen, von einem Dutzend Pfeilern getragenen Wellblechdach und ist in einer Richtung komplett offen. Nach oben offene Mauern ersetzen die fehlenden Seitenwände. Hunderte Karosserieteile stapeln sich in einer staubigen Ecke in wildem Chaos. Beißende Klebstoffdämpfe und der Geruch von verschmortem Plastik hängen schwer in der schwül-heißen Luft. Ramponiert aussehende Straßenhunde streunen durch die Werkstatt.

Auch Millionäre wollen sparen. Ein Mann, der Chris gerade einen Besuch abgestattet hat, verabschiedet sich schnell und geht. „Der ist Unternehmer und hat über 4000 Angestellte“, sagt Chris und grinst stolz. „Trotzdem bestellt der seine Sportwagen bei mir!“ Thailands Kultur ist ein kruder Mix aus Theravada-Buddhismus, Geisterglaube und wüstem Materialismus. Mancher Kunde aus Bangkoks oft hochnäsiger Oberschicht würde vermutlich nur ungern dabei gesehen werden, wie er seinen Aston Martin nicht in Großbritannien, sondern beim lokalen Fälscher bestellt.

In einem Büro neben der Werkstatthalle stehen in einer Glasvitrine rund zwei Dutzend Modellautos. Sie dienen als Vorlage für die Kopien, weitere Informationen holt sich Chris Pongpitayas aus dem Internet. Viele der Autos, die er fälscht, hat er noch nie im Original gesehen. Aus einer Ecke kramt er eine Styroporschachtel hervor und öffnet sie behutsam. In ihr ist ein etwa 30 Zentimeter großes Modell eines Bugatti Veyron, des 1001 PS starken, 407 km/h schnellen Superwagens aus dem Hause VW. „Dieses Modell hat 300 Dollar gekostet! Das wird unser nächstes Projekt!“

In der legalen Grauzone.
Eine Zeit lang hat Chris versucht, seine Firma in einen Ausbildungsbetrieb zu verwandeln. Er begann, mehrere junge Thais in der Kunst des Autofälschens auszubilden. Doch schnell erwies sich das Vorhaben als zu teuer. Die Kosten für Gehälter, Essen und Materialien summierten sich schnell zu einem Betrag, den Chris nicht mehr aufbringen konnte. Heute statten der Werkstatt jedoch immer noch regelmäßig Studenten mehrerer Bangkoker Design-Fakultäten Besuche ab.

Sein Gewerbe sei völlig legal, erklärt Chris. Schließlich stelle er nur „Kit Cars“ her, also deklarierte Nachbauten echter Sportwagen. Die trügen ja auch alle nicht das Logo des Originalherstellers, sondern sein eigenes. Das Wappen auf einem „Schönes“-Porsche sieht aber erstaunlich nach dem Original aus Stuttgart-Zuffenhausen aus.

„Anwälte von Firmen wie Ferrari erkennt man sofort“, sagt Chris dann mit ernstem Gesichtsausdruck. Deswegen treffe er sich mit potenziellen Käufern immer in Fünfsternhotels. Sicher ist sicher. Fielen die vermeintlichen Käufer auf, indem sie etwa sehr viele Fragen stellten, lasse er sich nicht auf ein Geschäft ein. Ganz so sicher scheint er sich über die Legalität seines Unternehmens also doch nicht zu sein.

Der Plan: ein eigenes Modell. Für die Zukunft hat er große Pläne. Er will einen eigenen Sportwagen entwickeln und bauen. Er setzt sich eine Brille auf und öffnet eine Mappe, in der Bilder und Datenblätter mehrerer Sportwagen der Spitzenklasse abgeheftet sind, etwa die eines italienischen Pagani Zonda. Chris studiert die Fahrzeuge genau und überlegt sich, welche Elemente er in seinen eigenen integrieren möchte.

Und wer weiß: Vielleicht sind das hier die Anfänge von Südostasiens erster Sportwagenmarke. Zuzutrauen wäre es dem ambitionierten Autodidakten Chris Pongpitaya allemal.

Chris Pongpitaya betreibt in Bangkok eine Firma, die sündteure Markensportwagen wie Porsche, Ferrari, Aston Martin oder Lamborghini nachbaut. Er hat zuvor viele Jahre in Deutschland bei Unternehmen der Autobranche gearbeitet, und weil er dachte, ein deutscher Name stehe für Qualität, nannte er sein Unternehmen „Schönes“.

Eine Aston-Martin-Kopie kriegt man bei Pongpitaya schon um etwa 14.000 Euro – wenn einem wurscht ist, dass das Chassis von einem Opel Calibra stammt. In Thailand selbst kosten Originale des gleichen Aston-Martin-Modells bis zu 500.000 €.

Wenn China Krieg gegen Produktpiraten ankündigt, klingt das mitunter eigenartig. Immerhin wurden dort, auch mit Sanktus des Staates, schon viele ausländische Produkte kopiert. Etwa deutsche Hochgeschwindigkeitszüge von Siemens, russische Sojus-Raumschiffe und russische MiG-29 Kampfjets.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2011)

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