Günther Schneider-Siemssen, der Gründervater

Derzeit ist viel von den Osterfestspielen die Rede. Jener Mann, der das Antlitz des Festivals entscheidend prägte, wird dieser Tage 85 Jahre alt.

Das Schönste ist, dass er immer zeichnet.“ Mit diesen knappen Worten charakterisierte Herbert von Karajan seinen Lieblingsbühnenbildner, Günther Schneider-Siemssen. Der aus Augsburg gebürtige Künstler feiert am 7.Juni seinen 85. Geburtstag. Für Wiener Theater-, vor allem Musiktheaterfreunde war er über Jahre hin der wichtigste Gestalter von Bühnenräumen.

Seine unverwechselbare Ästhetik prägte eine Publikumsgeneration. Das war möglich, weil zwei der zentralen Persönlichkeiten des österreichischen Kulturlebens im letzten Drittel des 20.Jahrhunderts bedingungslos an ihn glaubten: Neben Karajan bestellte auch Otto Schenk für Burg und Oper die Dekors bei „Schneisi“, wie man ihn in Wien bald nannte. Fast 30 Produktionen hat der Künstler in Wien und Salzburg mit Karajan erarbeitet, 60 mit Otto Schenk – auch in Übersee. Der Regisseur schätzte es, dass die Skizzen Schneider-Siemssens stets unfehlbar die Stimmung eines Werks trafen. Man fand sich in seinen Szenerien zurecht: Das Publikum wusste, wo ein Stück spielte. Schauspieler und Sänger liefen nicht Gefahr, über sinnlose Hindernisse zu stolpern.

Der Einstieg Schneider-Siemssens war fulminant. Karajan, damals noch Wiener Opern-Direktor, bat den jungen Mann, die Bilder für eine Neuinszenierung von Claude Debussys „Pelléas und Mélisande“ zu entwerfen. Die Aufführung wurde legendär, nicht zuletzt, weil wegen Streiks damals heftig improvisiert werden musste. Schneider-Siemssens Ideal, eine Szenerie nur aus Licht zu simulieren, musste damals in gewisser Weise aufgrund von höherer Gewalt Realität werden.

Das machte Schule. Ein Künstlerleben lang experimentierte der Bühnenbildner mit Projektionen, Lichtdomen und entwickelte Visionen von Theaterräumen, die mit den Mitteln der Holografie hergestellt werden konnten. Vor allem aber: Er zeichnete. In Gesprächen mit seinen Regisseuren machte er unentwegt Skizzen, um die Möglichkeiten, die ihm vorschwebten, gleich anschaulich zu machen.

Die Skizzenmappe für den ab 1967 zur Eröffnung der Salzburger Osterfestspiele herausgebrachten „Ring des Nibelungen“ kam Anfang der Siebzigerjahre in limitierter Druckauflage in den Handel und wurde ein begehrtes Sammlerobjekt.

Dass Schneider-Siemssens Arbeiten stets den Eindruck vermittelten, die optischen Stimmungswelten seien aus dem Geist der Stücke, in der Oper tatsächlich aus der Musik und nicht nur aus den Vorgaben des Librettos, geboren, hatte wohl mit Musikalität zu tun.

Ursprünglich war Dirigent Schneider-Siemssens Traumberuf – ein Meister dieses Fachs, Clemens Krauss, hat ihm diesen Gedanken auszureden verstanden und ihn auf jene Bahn geführt, die für ihn die richtige werden sollte.

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2011)

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