ÖBB: Fekter stellt Weichen in Richtung Privatisierung

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Ein strategischer Partner soll die Bundesbahnen sanieren helfen, wünscht sich die Finanzministerin. Amtskollegin Doris Bures im Infrastrukturressort sagt nicht Nein, lehnt aber eine ideologische Debatte ab.

Wien. In vier Jahren wird Österreich auf 256 Mrd. Euro Schulden sitzen. Wenn derzeit ausgelagerte Staatsschulden, wie jene knapp 20 Mrd. Euro der ÖBB, auch ins Budget eingerechnet werden müssen, steigt der Verschuldungsgrad auf rund 90 Prozent des BIPs. Allein der Zinsendienst wird dann von derzeit 7,6 auf zehn Mrd. Euro steigen. Angesichts dieses Horrorszenarios sucht Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) nach neuen Einnahmequellen und bricht dabei auch mit Tabus: Sie will die ÖBB privatisieren – und hat damit eine heftige Diskussion mit dem Regierungspartner SPÖ ausgelöst.

Es gehe immer nur um Teile der ÖBB, nicht um das gesamte Unternehmen, sagte Fekters Sprecher Gregor Schütze der „Presse“. Konkret nannte er die Güterverkehrssparte RCA (Rail Cargo Austria) und den Personenverkehr. Die Infrastruktur (Schienen) müsse beim Staat verbleiben. Es könne eine Kooperation, ein Börsegang oder ein Partner sein. Fekter bevorzugt die Hereinnahme eines strategischen Investors. Details oder Namen potenzieller Partner wollte Schütze nicht nennen, dazu sei es noch zu früh. Es gebe auch noch keinen Privatisierungsauftrag.

Wunschpartner Deutsche Bahn

Bahnexperten wie der langjährige ÖVP-Verkehrssprecher Ferdinand Maier geben Fekter Rückendeckung: „Die Hereinnahme eines strategischen Partners ist eine großartige Idee, die man möglichst rasch umsetzen sollte“, sagt Maier. Er hat auch gleich einen „logischen Wunschpartner“ für die RCA parat: die Deutsche Bahn (DB). Außer den Nachbarn käme auch die französische SNCF infrage, meinen Beobachter.

Was die Infrastruktur betrifft, wiederholt Maier eine alte Forderung: Sie sollte der Staatsholding ÖIAG übertragen werden.

Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) erteilt den Plänen ihrer Ministerkollegin Fekter nicht prinzipiell eine Absage: „Alle Möglichkeiten, die helfen, die ÖBB auf Schiene zu bekommen, sind zu begrüßen – auch ein strategischer Partner“, ließ Bures über ihre Sprecherin Susanna Enk die „Presse“ wissen. Aber: „Eine ideologisch motivierte Privatisierungsdebatte über die ÖBB wird es mit mir sicher nicht geben.“

Vorerst habe jedoch die Sanierung der Bundesbahn, vor allem der RCA, Priorität, so Bures. Die ÖBB sind im Vorjahr mit 330 Mio. Euro wieder tief in die roten Zahlen gefahren – trotz einer vier Mrd. Euro schweren Staatsspritze für die ÖBB-Pensionisten, den Personen- und Güterverkehr sowie die Infrastruktur. Die Hauptursache für die Verluste war die RCA, die mit der ungarischen MAV Cargo einen riesigen Bremsklotz gekauft hat. Die RCA allein machte 353 Mio. Euro Verlust. Außerdem hat der Güterverkehr unter der Wirtschaftskrise stark gelitten. Die ÖBB hatten in den letzten Jahren auch mit Verlusten infolge von Spekulationsgeschäften zu kämpfen.

ÖBB-Chef Christian Kern hält an Bures' Zielvorgabe fest: 2013 soll die Bahn wieder schwarze Zahlen schreiben. Zum Vorstoß Fekters gab es gestern, Sonntag, nur einen knappen Kommentar vonseiten der ÖBB: „Das ist ausschließlich eine Eigentümerfrage.“

Der Chef des Gewerkschaftsbundes, Erich Foglar, erteilt Fekters Vorstoß eher aus wirtschaftlichen Gründen eine Absage: Er bezweifle, dass sich Interessenten schlangenweise anstellen würden, meinte Fogler am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Außerdem gab er zu bedenken, dass die großen Bahnen rundherum in staatlichem Mehrheitseigentum seien: Das hieße ja bloß Staatseigentum durch anderes Staatseigentum zu ersetzen, sagte Foglar.

„Einzige Chance“

Stefan Wehinger, der Partner von Bautycoon Hans Peter Haselsteiner bei der privaten „Westbahn“, sieht das anders: „Die Privatisierung ist der einzige Weg, damit die ÖBB überleben können.“ Er muss es wissen, schließlich war Wehinger lange Personenverkehrsvorstand der ÖBB. Beim Personenverkehr kann sich Wehinger nach ausländischem Vorbild auch eine Beteiligung der Bundesländer vorstellen. Was den Güterverkehr betrifft, ist die Richtung für ihn ganz klar: „Mittelfristig wird es in Europas Bahnverkehr – wie bei den Fluglinien – nur drei, vier große Konsortien und viele kleine private Betreiber geben.“ Die RCA müsse daher zusehen, Teil eines dieser Konsortien zu werden. Andernfalls habe sie keine Chance.

Auf einen Blick

Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) will die ÖBB privatisieren. Ihr schwebt ein strategischer Partner für Teile der Bundesbahnen – den Güter- und den Personenverkehr – vor. Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) lehnt eine ideologische Privatisierungsdebatte ab, aber sie hält einen strategischen Partner für sinnvoll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2011)

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