Finanzkrise: USA zittern vor neuer Rezession

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Die Zahl der Arbeitslosen bleibt hoch, der Konsum niedrig. Ökonomen glauben, die USA könnten in eine neuerliche Rezession fallen - oder wie Japan viele Jahre in einer Stagnation verharren.

Eine Eigenschaft zeichnet US-Amerikaner mehr aus als jedes andere Volk der Welt: Optimismus. Das Land lebt von der Zuversicht seiner Bewohner. Wenn daher, wie im April in einer Gallup-Umfrage erhoben, 57 Prozent glauben, dass die USA in einer anhaltenden Depression oder gar Rezession sind, dann hat das Auswirkungen auf die konsumgetriebene Wirtschaft. Und diese könnten dramatisch sein: Die Sorgen vor einem „Double-Dip“-Crash, also einem zweiten Crash nach dem Crash, nehmen zu.

„Noch gibt es dafür keine konkreten Anzeichen“, meint Robert Reich, früherer Arbeitsminister unter US-Präsident Bill Clinton, „aber die Chancen steigen.“ Grund für Reichs Einschätzung sind die jetzt veröffentlichen Beschäftigtenzahlen: Sie legten im Mai um nur 54.000 zu. Das kam völlig überraschend. Im April hatte die Wirtschaft noch fast 200.000 neue Jobs geschaffen. Damit bleibt die Arbeitslosenrate mit 9,1 Prozent unverändert hoch. Insgesamt sind derzeit 14Millionen Menschen ohne Job.

Zu den schlechten Nachrichten vom Arbeitsmarkt passen die Auftragseinbrüche der Industrie: Die Auftragslage sank im April um 1,2 Prozentpunkte, im März hatte es noch ein kräftiges Plus von 3,8 Prozent gegeben. Beinahe alle Branchen melden Rückgänge – von den Maschinenbauern über die Computerindustrie bis hin zu den Autoherstellern.

Während man diesen Rückgang noch teilweise als Folge des Erdbebens in Japan und den damit verbundenen Lieferproblemen erklären kann, ist auch der Blick in die Zukunft nicht viel besser. Der auf den Finanzmärkten viel beachtete Index der Einkaufsmanager fiel von 60 auf 53 Punkte. Er ist damit auf dem niedrigsten Stand seit September 2009. Der Einbruch des Barometers sei so stark wie seit 27 Jahren nicht mehr, sagte UniCredit-Experte Harm Bandholz. Das sei „keine gute Nachricht“ für die US-Wirtschaft.

„Wir sind schon längst wieder auf dem Weg nach unten, nur ignorieren wir es“, glaubt der Analyst Douglas McIntyre. Er führt als Grund unter anderem die Aktienmärkte an. Diese bewegten sich nämlich kaum von der Stelle: Der Dow Jones ist jetzt auf dem Stand vom Februar 2011. Allein im Mai hat der Aktienindex fünf Prozent verloren. Der S&P 500 hat im Mai 4,5 Prozent eingebüßt und liegt ebenfalls auf dem Wert von Anfang Februar.

Den Pessimisten kann sich Bernhard Felderer, Chef des Instituts für höhere Studien (IHS), nicht anschließen. „Ich sehe nur eine geringe Gefahr eines zweiten Crashs. Es gibt jetzt eine leichte Absenkung, der Aufschwung verlangsamt sich eben.“ Ähnlich der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, der im „Handelsblatt“ meinte, dass sich die US-Wirtschaft „nur quälend langsam“ aus der Krise herausarbeiten werde.

Sorge vor Japans Beispiel

Dieses „quälend langsam“ könnte sich über viele Jahre ziehen. Denn die Befürchtungen wachsen, dass die USA ähnlich wie Japan in eine Phase der Stagnation fallen. Diese Gefahr ist durchaus realistisch: Die Konsumausgaben stiegen im April um 0,4 Prozent, Experten hatten mit einem höheren Plus gerechnet. Doch angesichts hoher Benzin- und steigender Lebensmittelpreise sparen die Amerikaner, und das ist schlecht für das Bruttoinlandsprodukt, das zu zwei Dritteln vom Konsum abhängt. Das ist schwach – nicht nur wegen der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit und des hohen Ölpreises, sondern vor allem wegen des noch immer darniederliegenden Immobilienmarkts. Mit dem theoretischen Wert ihrer Häuser haben sich viele Amerikaner ihren Konsum, ihre Urlaube und neue Autos finanziert. Heute liegen die Immobilienpreise im Schnitt 30 Prozent unter den einstigen Höchstwerten, in manchen US-Bundesstaaten wie Florida oder Kalifornien sind es 50 Prozent.

Aus Sorge um die schwächelnde Wirtschaft zeigen führende Vertreter der US-Notenbank „Fed“ keine Bereitschaft für eine rasche Abkehr von ihrer Nullzinspolitik. „Die derzeit konjunkturstimulierende Haltung der US-Geldpolitik ist angemessen“, sagte Fed-Vizepräsidentin Janet Yellen. Die Fed fährt seit Dezember 2008 praktisch eine Nullzinspolitik (Banken zahlen für geliehenes Geld zwischen null und 0,25 Prozent Zinsen). Das birgt die Gefahr einer steigenden Inflation.

Dazu kommt die Staatsschuld, die mittlerweile 14 Billionen Dollar übersteigt. Eher früher als später muss die Regierung mit einem Sparpaket reagieren, und das wird Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Bremst der Staat bei den Ausgaben nicht, haben bereits zwei Ratingagenturen damit gedroht, die USA von ihrem AAA herunterzustufen.

Einige Beobachter ziehen bereits Parallelen zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien vor dem Ersten Weltkrieg: ein Staat auf der Höhe seiner Macht, aber mit ersten sichtbaren Rissen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2011)

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