Russlands schlummernde Wettbewerbsvorteile

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Moskau müsste fünf wichtige Aufgaben erledigen, um aufstrebende Konkurrenzstaaten abzuhängen. Nach dem Rohstoffboom, war das Land in der Finanzkrise tief gefallen und kam bis dato nicht richtig in Fahrt.

Moskau/Wien. Das Potenzial ist groß, aber es wird nach wie vor nicht verwirklicht. Zu diesem ernüchternden Befund über Russlands Wettbewerbsfähigkeit kommt der neue „Russia Competitiveness Report 2011“, den das World Economic Forum am Montag präsentiert hat. Wie die Studienautoren betonen, ist der größte Flächenstaat der Welt hinter die anderen Transformationsstaaten wie China, Indien oder Brasilien (BRIC) zurückgefallen, weil die Produktivität nicht gesteigert wurde. Dabei würde das Land mit seinen 143 Millionen Einwohnern über drei große Wettbewerbsvorteile verfügen. Diese freilich kämen nicht zur Entfaltung, weil eine Handvoll zentraler Hausaufgaben nicht gemacht sei.

Über Jahre vom Rohstoffboom getrieben, war das Land in der Finanzkrise tief gefallen und kam bis dato nicht richtig in Fahrt. Nach offiziellen Prognosen bleibt das Wachstum 2011 unter 4,5 Prozent, was laut Finanzminister Alexej Kudrin angesichts der rohstofflastigen Wirtschaftsstruktur einem nur „schwachen, instabilen Wachstum“ gleichkommt. Selbst die Staatsführung spricht von einem verheerenden Investitionsklima, die massive Kapitalflucht hält seit Herbst 2010 ununterbrochen an.

Hohe Produktivität

Auch wenn die Arbeitsproduktivität in Russland höher sei als in Indien oder China, betrage der Output angesichts der hohen Löhne nur die Hälfte, heißt es in der Studie, die mit der russischen Sberbank und der Strategy Partners Group erstellt wurde. Premier Wladimir Putin selbst, der kürzlich den Aufstieg des Landes unter die weltweit fünf größten Volkswirtschaften bis 2020 verordnet hatte, hat die Verdoppelung bis Vervierfachung der Arbeitsproduktivität gefordert.

Blühende Korruption bekämpfen

Dass Russland in diesem Punkt nicht vorankommt und daher auf dem globalen Wettbewerbsindex Platz 63 unter 139 Ländern einnimmt, hat mit einer Reihe von Barrieren zu tun, aus denen die Autoren fünf Aufgaben ableiten: erstens Rechtsstaatlichkeit und Eigentümerschutz zu etablieren sowie die wuchernde Korruption zu bekämpfen – Bereiche, in denen Russland zu den Schlusslichtern zählt. Zweitens Verbesserungen in der Bildung. Drittens mehr Wettbewerb und weniger Handelsbarrieren. Viertens leichteren Zugang zum Finanzmarkt. Fünftens Effizienzsteigerung durch Wissenstransfer und Innovation. Gerade hier drohe Russland den Zug zu verpassen, da viele Transformationsstaaten rapid zu den entwickelten Staaten aufzuschließen versuchten.

Wenn man in diesen fünf Punkten vorankomme, würde das nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit „in ziemlich kurzer Zeit bedeutend verbessern“, meinen die Studienautoren: Es brächte auch die schlummernden Wettbewerbsvorteile zur Entfaltung: die Größe des Marktes, den Vorrat an gut ausgebildeten Leuten und den Reichtum an Naturressourcen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2011)

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