ÖBB-Privatisierung: Wer soll denn das „Werkl“ übernehmen?

Der Zug für eine ordentliche Verheiratung ist längst abgefahren. Die Eltern der Braut schrecken jeden Interessenten ab – und ohne ordentliche Mitgift wird es nichts werden.

Subtext

Stellen Sie sich vor, eine ganze Nation diskutiert aufgeregt darüber, ob und in welcher Form die Bundesbahnen verkauft werden sollen – und in Wahrheit ist die ganze Debatte obsolet, weil sich ohnehin niemand für die angepriesene Braut interessiert.

Das beginnt schon beim familiären Umfeld. Wer will denn in eine Familie einheiraten, in der sich zwei Frauen verbissen um die Mutterschaft der Braut streiten? Die eine (Finanzministerin Maria Fekter) fordert eine schnelle Verheiratung, ohne dafür zuständig zu sein (die Kompetenz liegt im Verkehrsministerium). Die andere wiederum (Verkehrsministerin Doris Bures) will ihre vermeintliche Tochter keinesfalls an einen Bräutigam „verscherbeln“, hat aber nicht das Geld, die Tochter weiterhin durchzufüttern. (Finanzspritzen, ohne die die ÖBB längst insolvent wären, werden vom Finanzministerium abgesegnet.)

So wundert es also nicht, dass es aus den französischen Staatsbahnen SNCF zu einem möglichen Engagement bei den ÖBB zwar offiziell „no comment“ heißt, man hinter vorgehaltener Hand aber amüsiert von „heißer Luft“ spricht, die aus Österreich verblasen wird. Soll heißen: Solange die politische Familie ihr Hickhack rund um das Milliardengrab ÖBB nicht halbwegs kontrollieren kann, interessieren sich die Franzosen keineswegs für die Braut.

Etwas diplomatischer drückt sich da schon ein anderer von Brautmutter Fekter ins Auge gefasster Bräutigam aus: Nach der milliardenschweren Übernahme der englischen Arriva im Jahr 2010 plane man in den kommenden zwei Jahren keine Zukäufe, heißt es seitens der Deutschen Bahn.

Die Schweizer Bundesbahnen wiederum lassen über einen Sprecher ausrichten: „Für uns gilt der Spruch: Schuster, bleib bei deinen Leisten.“ Ein großer Auslandskauf sei schon aufgrund des zu erwartenden politischen Widerstandes ausgeschlossen. Hätten nur die ÖBB auch so gedacht, als sie mit der Übernahme des ungarischen Verlustbringers MAV zum finanziellen Debakel ausgeholt haben!

Bleibt die Frage, wer denn dann die ÖBB – von Fekter so gar nicht charmant als „Werkl“ bezeichnet – übernehmen könnte. Niemand, glaubt etwa Ex-Finanzminister Hannes Androsch. „Wer soll denn das kaufen, eine gigantische AUA?“, fragte er am Dienstag in Wien.

Womit wir beim Thema Mitgift wären. Die Fluglinie brachte die Regierung gerade noch mit einer Mitgift von 500 Millionen Euro in Form eines Schuldenerlasses an. Aber die ÖBB? Die Finanzverbindlichkeiten liegen laut Jahresbilanz bei 17,48 Milliarden Euro. „Eine AUA mit Faktor hundert“, sagt Androsch etwas überspitzt.

So gesehen hat wiederum Bures gar nicht so unrecht, wenn sie sagt, man dürfe die tolle Braut nicht „verscherbeln“ – die Braut mag zwar nicht ganz so toll sein, aber „verscherbeln“ müsste man sie allemal. Allerdings wäre das vielleicht gar nicht so schlecht: Eine Ende mit Schrecken ist bekanntlich besser als ein Schrecken ohne Ende.

E-Mails an: stefan.riecher@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

ÖBB: Koalitionsstreit um Verkauf der Bundesbahnen

Verkehrsministerin Bures will die ÖBB nicht „verscherbeln“. Experten fordern indes einen möglichst schnellen Teilverkauf. Fekter forderte, wie berichtet, Teile der Bundesbahnen schnell zu privatisieren.
Bures erteilt Fekter bei ÖBB eine Abfuhr
Österreich

ÖBB: Bures gegen "Verscherbelungsdebatte"

Die SPÖ-Verkehrsministerin kann dem Vorschlag von VP-Finanzministerin Fekter nichts abgewinnen und kritisiert die Diktion "Werkl". Auch strategische Partnerschaften sind für sie erst nach der Bahn-Sanierung eine Option.
Fekter: "ÖBB kann man locker privatisieren"
Österreich

Fekter: "ÖBB kann man locker privatisieren"

Die Finanzministerin kann sich für die ÖBB eine strategische Partnerschaft, eine Kooperation oder einen Börsegang vorstellen. Dem ÖBB-Wunsch nach einer Kapitalspritze von 400 Mio. Euro erteilt sie eine Absage.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.