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Marken & Mobbing. Immer wieder werden Kinder wegen „falscher" Kleidung von Mitschülern drangsaliert. Peers versuchen gegenzusteuern.

[Wien] „Ich habe Mama doch gesagt, dass ich die Converse unbedingt brauche." „Alle haben ein iPhone 4, ich muss auch eines haben." Nicht nur Schulisches spukt in den Köpfen der 10-jährigen Schüler und Schülerinnen der De La Salle Schule in Wien Strebersdorf herum - sondern auch der Wunsch nach Zugehörigkeit und sozialer Anerkennung.
Wie in anderen Privatschulen ist das Markenbewusstsein besonders stark ausgeprägt: „Hier an der Schule wird mehr verglichen als an anderen Schulen", meint Schulpsychologin Rosina Pulker. Doch oft beginnt dieser Markenwahn nicht mit dem ersten Schultag, sondern bereits mit der Erziehung. Eltern ist oft nicht bewusst, dass sie ihren eigenen Lebensstil auf das Kind projizieren. Das vorgelebte Markenbewusstsein führt dazu, dass es zu einer Selbstverständlichkeit wird. Viele Schüler glauben, dass sich das Tragen von Markenwaren positiv auf die Position in der „Klassenhierarchie" auswirkt.
Auch die Medien, speziell die Werbung, tragen dazu bei, dass Marken voll im Trend liegen. Ob in der Mode, im Sport oder in der Elektronik: Markenartikel stehen in allen Bereichen auf der Wunschliste der Kinder. Hat man sie nicht, hat man ein Problem - die Eltern mit ihren Kindern, und die Kinder anscheinend mit ihren Klassenkollegen.
Zu der Frustration gesellt sich die Angst, nicht dazuzugehören. Unter diesem Gruppenzwang leiden alle, sowohl jene, die sich die „Must - Haves" wünschen, als auch die, die sie besitzen. Für die vermeintlich „Glücklichen" dient die Marke aber oft als Maske. „Manchmal haben es auch die Schüler, die viele Markenwaren tragen schwerer, da sie kein Selbstbewusstsein entwickeln konnten und sich nur über ihr Äußeres definieren.", meint Pulker. Sie kaschieren Unsicherheit mit Arroganz und grenzen andere bewusst aus, um nicht selbst Opfer zu werden. Das Angstwort in diesem Zusammenhang lautet „Mobbing". Doch es reicht sicher nicht aus „Mobbing" nur mit Markenzwang zu erklären. Es liegen immer mehrere Faktoren vor, die eine Mobbingsituation auslösen. „Markenwaren sind nicht das Hauptthema, dass die Kinder unter Druck setzt, meistens ist es nur ein Teilbereich des Problems in einer Klasse.", sagt L. Ghadamsi, ein Mitglied der Neigungsgruppe Peer Clearing der De La Salle Schule Streberdorf.

Hemmschuh Gruppenzwang

Die Betroffenen werden meist als „anders" bezeichnet. Dieses Anderssein kann in der Herkunft, im zu aufgehübschten oder zu wenig trendigen Outfit liegen oder in anderen Interessen. Einziger Ausweg: Anpassen. Oder Untergehen.
Unter Gruppenzwang zu leiden, bedeutet in einem inneren Konflikt zu stehen: Entweder man entscheidet sich für sich selbst, oder man wählt den Weg der Masse. Zu sich selbst zu stehen ist zwar mutig, kann aber zu Einsamkeit führen. Diesen Schülern wollen in der De la Salle Schule Strebersdorf die „Peers" helfen. Die unverbindliche Übung „Peer Clearing" ist vor drei Jahren unter dem Motto „Schüler helfen Schülern" von den Professorinnen, Elisabeth Marboe und Eva Eckhard, ins Leben gerufen worden. Ab der zweiten Schulstufe können sich Schüler zu „Peers" ausbilden lassen. „Es ist toll, welches Gespür bereits die Zweitklasser entwickeln können", sagt Prof. Eckhard.


„Vor allem in den ersten Klassen herrscht Handlungsbedarf", erzählt Lena. Fast immer kommen die Schüler auf Anraten von Lehrern. Von einer der Leiterinnen der Neigungsgruppe werden sie zu einem Team von zwei oder drei Schülern zugeteilt. In Gesprächen wird das Problem oft erstmals ausgesprochen. Gemeinsam versuchen die „Peers" mit den Konfliktparteien einen Kompromiss zu finden. Oft hilft auch ein einfaches Gespräch, denn die meisten Mobbingopfer fühlen sich im Stich gelassen und haben keine Ansprechperson. Den Eltern wollen sie ihre Sorgen oft gar nicht erzählen.

Grenzen der Peers

In einigen Fällen können aber auch die „Peers" nicht mehr weiterhelfen. Klassengespräche übernehmen die beiden Professorinnen, dabei werden Geschichten erzählt, Rollenspiele gespielt, die die Schüler für das Anderssein sensibilisieren sollen. Wichtig ist es, dass sowohl die „Täter", als auch die „Opfer" aktiv daran teil nehmen und letztendlich Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Nur so kann die Empathie jedes Einzelnen geweckt werden. „Eltern sehen unseren Einsatz als Strohhalm und klammern sich an diese Hoffnung. Doch dabei werden auch manchmal die Peers überfordert. „Wir können keine Lösung, sondern nur Unterstützung anbieten, unser Motto ist Hilfe zur Selbsthilfe", erläutert Prof. Marboe. Liegt ein gravierendes psychologisches Problem vor, wird an eine außerschulische Betreuungseinrichtung verwiesen. Positiv ist aber nicht nur die Rückmeldung der Eltern von Mobbingopfern, sondern auch die der „Peers".

Keine Insel der Seligen

Offensichtlich verinnerlichen die Schüler die gelernten Methoden sehr schnell und können sie in eigenen familiären Konfliktsituationen präventiv einsetzen. Das heißt, als „Peer" hilft man anderen und nimmt gleichzeitig sehr viel für sich selbst mit. Diese Zusammenarbeit zwischen Schülern, Lehrern, Erziehern und Schulpsychologin wirkt sich günstig auf das gesamte Schulklima aus. Peer Clearing" kann keine Insel der Seligen ohne Markenwahn und Mobbing garantieren, aber es kann mithelfen, dass Marken keine zu große Rolle im Schulalltag spielen

Lexikon

Peer Clearing: Beratung von Schülern für Schüler. Gemeinsam mit den Betroffenen wird eine Lösung für das Problem gesucht.

Peers: Stammt aus dem Englischen und bedeutet „Gleichrangiger“. Freiwillige, die sich für die Probleme der Mitschüler engagieren.

Mobbing: Verhalten, bei dem jemand immer wieder schikaniert wird. Die Person wird entweder durch Kontaktverweigerung gemieden oder in sonstiger Weise in ihrer Würde verletzt.

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