Erdogan
Erdogan: Wahltriumph mit Wermutstropfen

50 Millionen Türken waren am Sonntag dazu aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Die Regierungspartei AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) von Premier Recep Tayyip Erdogan siegte wie erwartet deutlich. Die angestrebte Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament verfehlte sie jedoch.
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Die größte Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) unter Kemal Kilicdaroglu lag deutlich zurück. Die säkuläre Partei setzte im Wahlkampf auf die Themen Korruption, Arbeitslosigkeit und Freiheitsrechte.
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Erdogans Wahlkampfmotto lautete "nicht kleckern, sondern klotzen". Er versprach dem Wahlvolk unter anderem einen neuen Flughafen, einen Kanal zwischen dem Schwarzen Meer und dem Marmarameer und zwei neue Trabantenstädte nahe Istanbul.
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Seit acht Jahren ist Erdogan Ministerpräsident, und nach wie vor scheiden sich die Geister an ihm. Für die einen ist er eine Lichtgestalt, ein tatkräftiger Macher, der die Türkei in den vergangenen Jahren zu neuen Höhen geführt hat. Für die anderen ist er ein islamistischer Wolf im demokratischen Schafspelz, der das Land herrisch und arrogant regiert und für die wahren Werte der Republik nichts übrig hat.
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Erdogan wuchs in bescheidenen Verhältnissen als Sohn landflüchtiger Schwarzmeer-Türken im Istanbuler Viertel Kasimpasa auf. Seinem eigentlichen Berufswunsch Profi-Fußballer erteilte sein Vater eine Absage. Auf Drängen seines Vaters hin absolvierte Erdogan zuerst eine Imam-Schule, dann ein Wirtschaftsstudium an der Istanbuler Mermara-Universität. Es zog ihn also eher in die Politik, als auf den Fußballplatz. Unter seinen Freunden hielt sich der Spitzname Imam Beckenbauer für den begeisterten Hobby-Fußballer dennoch.
Im Bild: Erdogan und Wolfgang Schüssel bei einem freundschaftlichen Fußballspiel.
Im Bild: Erdogan und Wolfgang Schüssel bei einem freundschaftlichen Fußballspiel.
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Im Kielwasser seines politischen Ziehvaters Necmettin Erbakan (Bild) und dessen islamistischen Parteien stieg Erdogan in den 70er und 80er Jahren immer weiter auf. 1995 wurde er gerade 41-jährig zum Oberbürgermeister von Istanbul gewählt. An der Spitze der größten türkischen Stadt klopfte Erdogan zwar so manch islamistischen Spruch - er bezeichnete sich selbst als oberster "Imam" der Stadt und schimpfte auf die laizistische Ordnung der Republik -, seine Politik war jedoch pragmatisch und mehr am Funktionieren der Müllabfuhr und der Wasserversorgung ausgerichtet als an der Ideologie. Damit machte sich Erdogan auch landesweit einen Namen.
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Bevor er allerdings die Bühne der nationalen Politik betreten durfte, musste er erst einmal ins Gefängnis. In einer Rede hatte er ein Gedicht zitiert, in dem die Moscheen als Kasernen der Gläubigen beschrieben werden - das wurde als Volksverhetzung ausgelegt. Er musste sein Amt aufgeben und verbrachte einige Monate im Gefängnis. In seiner Haftzeit kam er nach eigenen Angaben zu dem Schluss, dass der radikale Islamismus eine Sackgasse sei, und richtete sich neu aus: Als konservativer Demokrat - und weg von den Alt-Islamisten um Necmettin Erbakan.
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Nicht nur Erdogan, auch andere Politiker wie Abdullah Gül und Bülent Arinc suchten nach einer pragmatischen Alternative. Im August 2001 gründete Erdogan mit seinen Freunden die "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (AKP). Nur ein Jahr später räumte die AKP bei den Parlamentswahlen ab und fegte die bis dahin regierenden Parteien aus der Volksvertretung. Nach der Aufhebung des mit seiner Gefängnisstrafe einhergehenden Politikverbotes wurde Erdogan im März 2003 türkischer Ministerpräsident.
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In den Jahren darauf trieb Erdogan viele Reformen voran und setzte den Beginn von Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei durch. Die Wirtschaft wächst seither kräftig.
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Bei der Parlamentswahl 2007 siegte Erdogans AKP mit 46,7 Prozent der Stimmen.
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Zusammen mit seiner Frau Emine, die das als "türban" bezeichnete streng konservative Kopftuch trägt, hat Erdogan zu einem neuen Selbstbewusstsein des anatolischen Kleinbürgertums beigetragen. Seine Anhänger schätzen an ihm, dass er persönliche Frömmigkeit, wirtschaftliche Erfolge und pragmatische Politik miteinander verbindet.
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Seine Kritiker werfen Erdogan vor, den Druck auf unbotsmäßige Medien zu verstärken. Immer mehr Journalisten wanderten zuletzt ins Gefängnis. In Rankings zur Meinungsfreiheit stürzte die Türkei zuletzt ab.
Die säkuläre Elite des Landes warnt außerdem davor, Erdogan treibe eine Islamisierung des Landes voran.
Die säkuläre Elite des Landes warnt außerdem davor, Erdogan treibe eine Islamisierung des Landes voran.
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Erdogan will in der neuen Legislaturperiode die Verfassung ändern. Er soll die Einführung eines Präsidialsystems nach US-Vorbild planen - mit ihm selbst als Präsidenten. Da er die Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlte, muss er sich aber nun mit den anderen Parteien einigen.
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