Werben um Pekings Stimme

(c) Blair Gable (BLAIR GABLE)
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Am 30. Juni will der IWF den Nachfolger von Dominique Strauss-Kahn präsentieren. Lagarde und Agustin Carstens reisten zum Stimmenfang nach China. Dass China bei der Besetzung der Spitze im IWF mitredet, ist neu.

Peking. Peking steht in diesen Tagen im Mittelpunkt der internationalen Finanzwelt. Kaum hat Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde die chinesische Hauptstadt verlassen, kündigte sich der Chef der mexikanischen Zentralbank, Agustin Carstens, an. Beide wollen mithilfe der Chinesen Dominique Strauss-Kahn als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) nachfolgen.

Zwar besitzt Peking nur einen geringen Anteil an den Stimmrechten. Doch sollte sich die Regierung entschließen, gemeinsam mit den USA und Europa für Lagarde zu votieren, wäre ihre Wahl reine Formsache. Die Französin wurde in Peking von mehreren Ministern empfangen. Sie sei mit den Gesprächen „sehr zufrieden“ sagte sie vor Journalisten.

Gleichwohl gelang es ihr offenkundig nicht, den eindeutigen Rückhalt der Chinesen zu gewinnen. Sie habe nicht genug getan, um die Unterstützung zu erhalten, meldeten wortgleich die englischsprachige „Global Times“ und die Webseite des KP-Organs „Volkszeitung“. Dies ist ein Hinweis für Lagarde, dass sie ihre Gesprächspartner nicht überzeugt hat.

Lagarde besuchte auch Indien

Dass die Chinesen ein starkes Wort bei der Besetzung der Spitze im IWF mitreden, ist neu. Peking plädiert seit einiger Zeit für eine Reform der internationalen Finanzinstitutionen. Schwellenländer sollten mehr Gewicht erhalten – auch bei der Besetzung wichtiger Positionen. Die chinesische Regierung wehrt sich gegen die Tradition, dass der IWF von einem Europäer und die Weltbank von einem Amerikaner geführt werden. Die Kandidaten sollten nach ihren Fähigkeiten ausgewählt werden, nicht nach ihrer Nationalität.

China wird dabei von einer weiteren wichtigen asiatischen Macht unterstützt, die Lagarde zuvor besucht hatte: Indien. Auch Neu-Delhi mochte sich nicht eindeutig hinter die Französin stellen. Allerdings haben weder China noch Indien bislang einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt.

Inzwischen ist der frühere Vizegouverneur der chinesischen Zentralbank, Zhu Min, zum Berater des IWF-Chefs aufgestiegen. Peking erwartet offenbar eine Zusicherung, dass er zu einem der drei Vizedirektoren wird. Es sei völlig angemessen, wenn Zhu in Zukunft eine Schlüsselrolle im IWF spiele, erklärte Lagarde in Peking.

Zahlreiche chinesische Experten plädieren derweil dafür, nicht allzu stark auf einen Chefposten zu pochen. Sie folgen dem Argument der Europäer, dass sich der IWF in den kommenden Jahren mehr mit Europas Schuldenkrise und weniger mit der „Dritten Welt“ befassen müsse. Lagarde sei deshalb die richtige Kandidatin, argumentierte gestern die von der chinesischen Zentralbank herausgegebene Zeitung „Finanznachrichten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2011)

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