Kroaten stimmen im Herbst über EU ab

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Nach dem grünen Licht der EU-Kommission können Kroatiens Beitrittsverhandlungen noch im Sommer abgeschlossen werden. Ein Ja ist bei dieser Volksabstimmung allerdings noch alles andere als sicher.

Brüssel/Ag./Wb. Nach sechs Jahren intensiver Verhandlungen ist der Weg für den Beitritt Kroatiens in die Europäische Union frei. Die EU-Kommission gab am Freitag grünes Licht für einen raschen Abschluss der letzten vier Verhandlungskapitel. Die Reformen, die Kroatien durchgeführt habe, seien „irreversibel und nachhaltig“ sagte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. Am 21. Juni sollen die Beitrittsverhandlungen von den 27 Mitgliedstaaten und Kroatien abgeschlossen werden. Voraussichtlich im Herbst, kurz nach der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags, stimmt die kroatische Bevölkerung in einem Referendum über die Mitgliedschaft ab. Geht dieses positiv aus, wird Kroatien am 1. Juli 2013 das 28. Mitglied der Union.

Ein Ja ist bei dieser Volksabstimmung allerdings noch alles andere als sicher. Deshalb bereitet die kroatische Regierung seit vergangenem Jahr eine Informationskampagne für die Bevölkerung vor. Laut einer jüngsten Umfrage des öffentlichen Fernsehsenders HRT befürworten 52 Prozent der Kroaten den Beitritt. Gegen die EU-Mitgliedschaft sind etwa 40 Prozent. Der Rest ist noch unentschlossen. Damit hat sich zuletzt die Stimmung wieder etwas verbessert. Denn Anfang Mai war die Zustimmung zu einem EU-Beitritt rapide gesunken. Der Stimmungseinbruch kam kurz, nachdem das Haager Kriegsverbrechertribunal die kroatischen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markač zu 24 beziehungsweise 18 Jahren Haft verurteilt hatte.

Die von der EU erzwungenen Reformen dürften in der Bevölkerung nicht nur positiv aufgenommen werden. Zwar werden viele Kroaten beispielsweise von der Reform des Justizsystems und dem verstärkten Kampf gegen Korruption profitieren. Doch einige werden auch ihre Arbeitsplätze wegen des von der EU geforderten Auslaufens staatlicher Subventionen an einzelne Branchen wie etwa Schiffswerften verlieren. Positiv dürfte die Kroaten hingegen stimmen, dass sie vor ihrem Erzrivalen unter den jugoslawischen Nachfolgestaaten, Serbien, in die EU aufgenommen werden.

Monitoring nur bis zum Beitritt

Das zuletzt von einigen EU-Regierungen geforderte Monitoring für Kroatien wird es zwar geben. Laut Erweiterungskommissar Füle soll aber lediglich bis zum Beitritt überprüft werden, ob die kroatische Regierung die restlichen Reformen umsetzt. Mitte 2013 sollten alle Umstrukturierungen abgeschlossen sein. Füle machte am Freitag deutlich, dass Kroatien im Gegensatz zu den beiden letzten Beitrittsländern Bulgarien und Rumänien seine „Arbeit fertiggestellt“ habe. Innerhalb der letzten sechs Jahre habe sich Kroatien in Sachen Demokratie und auch wirtschaftlich deutlich weiterentwickelt.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wies darauf hin, dass der Durchbruch bei den kroatischen Beitrittsverhandlungen auch ein Signal an den Rest der südosteuropäischen Staaten sei. Er hoffe, dass der Fortschritt Kroatiens eine Inspiration für andere Westbalkanstaaten sei, um deren Reformbemühungen zu verstärken.

Serbien, dessen Aussichten auf eine Mitgliedschaft sich nach der Verhaftung von General Radko Mladić deutlich verbessert haben, will Anfang 2012 mit Beitrittsverhandlungen starten. Allerdings fordern einige EU-Regierungen vor der Aufnahme des Landes eine Lösung für den Status des Kosovo. Das Belgrader Zentrum für Freie Wahlen und Demokratie hat zuletzt ein Umfrage zu diesem Thema durchgeführt. Demnach rechnen 53,2 Prozent der Serben damit, dass ihr Land im Falle eines Beitritts auf den Kosovo verzichten muss. 59,3 Prozent der Serben sind derzeit dennoch für eine Mitgliedschaft.

In Österreich reagierten am Freitag alle Parlamentsparteien positiv auf den angekündigten Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien.

Auf einen Blick

Kroatien wird voraussichtlich am 1. Juli 2013 das 28. Mitglied der Europäischen Union. Im Herbst, unmittelbar nach der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags, soll ein Referendum abgehalten werden. Derzeit ist nur eine knappe Mehrheit von 52 Prozent für die Mitgliedschaft in der EU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2011)

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