WikiLeaks ist harmloser Tratsch im globalen Dorf. Gestohlene IWF-Daten aber haben Vernichtungspotenzial.
Das nächste Pearl Harbour, das uns droht, sind Cyber-Attacken. Der das düster orakelt, heißt Leon Panetta, ist CIA-Chef und wohl der nächste US-Verteidigungsminister. Sein Vergleich rüttelt auf – und hinkt: Damals auf Hawaii wussten die Amerikaner sofort, dass die Japaner sie bombardiert hatten und wie viel dabei zerstört wurde. Auf den digitalen Schlachtfeldern aber hüllen Cyber-Granaten alles in virtuellen Nebel. Klar zu sehen ist nur die Gefahr.
Was bisher geschah, waren Scharmützel. WikiLeaks? Diplomatische Indiskretionen, über die Botschaftsangestellte in der Kaffeepause kichern. Entwendete Kundendaten von Playstation-Spielern? Eine private Firma wie Sony muss sich gegen Diebstahl schützen, um überleben zu können. Die gegen den IWF gerichtete Waffe aber hat ein anderes Kaliber: Da arbeiten Tausende in einem Bürogebäude, berechnen und bereden Daten über Staaten, ziehen Schlüsse und verhandeln Deals – und kein Mensch kann abschätzen, welche Erdbeben auf den Finanzmärkten es auslöst, wenn all das nach außen dringt. Das mag intransparent, demokratiefern und unsympathisch erscheinen, und viele werden applaudieren, sollte sich herausstellen, dass die Hacker Globalisierungsgegner sind. Aber diese Attacken sind etwas anderes als friedliche Proteste. Man kann nicht ein System gewaltsam zerstören, ohne die, die angeblich unter ihm leiden, mitzuzerstören. Wer auch immer dahintersteckt, bedroht sich selbst: Denn sie wissen nicht, was sie tun.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2011)