Wachsamkeit, nicht Angst vor Allahs Kriegern

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Die jüngsten Festnahmen von Terrorverdächtigen zeigen, dass der Westen die Angriffe religiöser Eiferer ganz gut unter Kontrolle hat – auf eigenem Territorium.

Leitartikel

Es war an einem warmen Frühsommernachmittag, als die Falle auf dem Flughafen Schwechat zuschnappte, ohne großes Aufsehen zu erregen. Zwischen den Gates nahmen Beamte des österreichischen Staatsschutzes zwei Männer und eine Frau fest. Ihr Reiseziel: Pakistan. Ihr Plan: sich in einem Ausbildungslager für Terroristen zu Jüngern des Heiligen Krieges gegen die Ungläubigen ausbilden zu lassen. In Wien klopfte es zeitgleich an der Tür eines Helfers. Auch er wurde festgenommen. Wie das zu deuten ist?

Ziemlich sicher anders, als es die Angstmacher der politischen Scharfmacher und Boulevardmedien nun tun werden. Eine Welle der Hysterie, wie sie in den Jahren nach den Anschlägen vom 11. September 2001 durch die westliche Welt schwappte, ist nicht angebracht. Der Staat und seine Behörden brauchen auch keine neuen Befugnisse im Kampf gegen den islamistisch geprägten Terror. Schon gar nicht solche, die die Freiheiten der eigenen Bürger beschneiden. Wie man sieht, sind die vorhandenen Mittel ausreichend und effizient.

Vielmehr zeigt der aktuelle Fall im Kontext vorangegangener Aktionen, dass die sogenannte zivilisierte Welt, also jene Länder, die sich die fanatischen Glaubenskrieger als Ziele auserwählt haben, inzwischen ganz gut mit der Bedrohung zurechtkommt. Beispiele dafür gibt es genug.


Erst Mitte Mai nahmen Fahnder in Berlin einen 21-jährigen Österreicher fest, der ein Terrorcamp besucht, Glaubensbrüder angeworben und Geld für seine Organisation „Deutsche Taliban Mudschaheddin“ beschafft hatte. Nur zwei Wochen vorher forschten die Behörden in Düsseldorf eine Terrorzelle aus. Dabei wurde eine größere Menge Sprengstoff sichergestellt. Die Vorbereitungen sollen sich in einem fortgeschrittenen Stadium befunden haben. Die Verdächtigen pflegten Kontakte nach Österreich.

Ebendort flog im Dezember 2010 ein gebürtiger Tschetschene auf, der von der niederösterreichischen Bezirkshauptstadt Neunkirchen aus in die Vorbereitungen auf einen Anschlag gegen einen mit Nato-Soldaten besetzten Zug beteiligt gewesen sein soll. Die Liste an Festnahmen mutmaßlicher und zu einem Gutteil auch verurteilter Terroristen lässt sich fast beliebig verlängern. In jüngster Vergangenheit ist nur ein einziger Fall bekannt geworden, bei dem sich die Behörden vorwerfen lassen müssen, bis zum Schluss ahnungslos gewesen zu sein: Anfang März schoss ein 21-jähriger Kosovare mit islamistischem Hintergrund auf dem Frankfurter Flughafen auf eine Gruppe US-Soldaten. Zwei Personen starben. Der Mann handelte als Einzeltäter.

Wie die Terroristen selbst haben sich die Fahnder und Nachrichtendienste dieser Welt inzwischen international vernetzt. Die Zusammenarbeit mit dem Ausland, insbesondere Deutschland, loben selbst launische österreichische Beamte. Bis vor wenigen Jahren gab es im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) niemanden, der Arabisch verstand. Inzwischen wurden gezielt Kenner von Sprache und Kultur angeworben. Heute verfügt das verschwiegene Amt über das, was die Öffentlichkeit von ihm erwartet: Expertise und Umsicht.

Grund zur Entwarnung ist das freilich keiner. Denn nur, weil immer wieder Verdächtige auffliegen, bedeutet das nicht, dass der Spuk vorbei ist. 39 Extremisten hatte der Staatsschutz zuletzt unter dem Begriff „erweiterte Gefahrenerforschung“ unter Beobachtung. Zwei Drittel davon gelten als Islamisten, sind zum Teil gebürtige Österreicher und Konvertiten. Diese sogenannte „Home-grown“-Szene stuft das BVT als „die größte Bedrohung im Bundesgebiet“ (Zitat: Jahresbericht 2010) ein.

Das ist die eine Seite. Die andere blendet man hierzulande gern aus. Ein Teil der Szene ist nämlich längst dazu übergegangen, die Glaubensbrüder bei ihren Anschlägen gegen Mitglieder der internationalen Schutztruppe in Afghanistan und im Irak zu unterstützen. Und ebendort ist man von einer Kontrolle des islamistischen Terrorismus noch Lichtjahre entfernt. Wachsamkeit ist also angebracht, Angst nicht. Bericht: Seite 1

E-Mails an: andreas.wetz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2011)

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