Der Terrorist in der Nachbarschaft

Terrorist Nachbarschaft
Terrorist Nachbarschaft(c) APA (EKO-COBRA/POSCH)
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Vier Terrorverdächtige wurden in Wien verhaftet. Drei davon sollen auf dem Weg in ein Ausbildungscamp nach Pakistan gewesen sein. Die Behörden sehen eine mittelfristige Bedrohung auch für Österreich.

Wien. „Das ist der Beleg für eine nach wie vor erhöhte Gefährdung für Europa“, so Peter Gridling am Donnerstag. Gemeint ist ein Erfolg, den der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vermeldet: die Festnahme von vier Terrorverdächtigen. Drei waren Mittwochnachmittag auf dem Flughafen Wien-Schwechat angehalten worden, als sie nach Pakistan reisen wollten – in ein Terrorausbildungslager, so das BVT.

Gleichzeitig wurde in Wien eine weitere Person festgenommen, die laut BVT als Kontaktperson zur al-Qaida in Pakistan fungiert haben soll. Der 25-Jährige, ein gebürtiger Österreicher, der zum Islam konvertiert ist, soll zum einen für die Rekrutierung von Kämpfern für Terrorcamps verantwortlich sein, zum anderen soll er auch eine Terrororganisation finanziell unterstützt haben. Konkret geht es um die „Deutschen Taliban Mudschaheddin“, die in Afghanistan unter anderem Anschläge auf Nato-Truppen verübt haben sollen. Jene islamisch-fundamentalistische Gruppierung hat zuletzt auch massiv versucht, Mitglieder in Europa zu rekrutieren.

In bisher acht Videos im Internet rief die Gruppe deutsche und österreichische Muslime auf, für den Kampf zu spenden – und aktiv mitzukämpfen. Auf diese Weise sollte eine logistische Basis auch in Europa gebildet werden. Wie weit eine solche schon vorhanden ist, zeigen einige aktuelle Festnahmen. So soll der verhaftete Hauptverdächtige auch Kontakt zu Maqsood L. gehabt haben – jenem 21-jährigen Österreicher, der am 16. Mai in Deutschland wegen Terrorverdachts festgenommen wurde – und zu einem Deutschen, den die österreichischen Behörden am 30. Mai festnahmen. Gegen beide ermittelt der deutsche Generalbundesanwalt auch wegen mutmaßlicher Beteiligung an einem Anschlag, heißt es.

Österreichische Konvertiten

Mehrere Monate lang haben die Behörden die Verdächtigen überwacht, ehe sie letztlich zuschlagen konnten. Bei den drei am Flughafen festgehaltenen Personen handelt es sich um einen österreichischen Konvertiten und zwei Personen mit Flüchtlingsstatus – einer davon aus Tschetschenien. Eine der drei Personen soll eine Frau sein. Erst im vergangenen November hat der Nationalrat beschlossen, die Ausbildung in Terrorcamps unter Strafe zu stellen – die Staatsanwaltschaft muss nun erst über ihr weiteres Vorgehen entscheiden. Noch nicht ausjudiziert ist die Frage, ob schon die Absicht, eine solche Ausbildung zu absolvieren, strafbar ist.

Dass es zunehmend auch Österreicher in Ausbildungscamps zieht, hat man im BVT schon vergangenes Jahr festgestellt, laut Gridling gebe es einige Dutzend Interessenten. Viele seien Konvertiten – und der Großteil sehr jung. Dem Vernehmen nach ist das auch bei den drei aktuellen Fälle so: zwei sind 19 Jahre, einer 25 Jahre.

Im Zusammenhang mit den Festnahmen haben die Behörden eine Moschee in Wien-Favoriten im Visier, in der sich die Verdächtigen aufgehalten haben sollen. Zwar beteuert man, dass das radikale Potenzial unter Österreichs Muslimen gering sei – man geht von einer knapp dreistelligen Anzahl aus. Doch ist islamischer Extremismus spätestens seit 2005 ein Thema, als bekannt wurde, dass es einige radikale Prediger in Österreichs Moscheen gibt. Auch fanden bereits mehrere Verfahren gegen Terrorverdächtige statt, im Fall Mohammed Mahmoud sogar eine rechtskräftige Verurteilung.

Das BVT sieht jedenfalls eine mittelfristige Gefahrenlage – auch für Österreich. Immerhin hat die al-Qaida mit Anschlägen in Europa gedroht. Der Tod von Osama bin Laden dürfte die Situation eher noch verschärft haben. So rechnen Experten damit, dass die Extremisten jetzt erst recht aufzeigen wollen, dass es sie noch gibt.
Ein möglicher Anlass steht auch schon kurz bevor: Am 11. September jähren sich die Anschläge auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon zum zehnten Mal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2011)

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