Keine Auslieferung: Ermittlungen im Fall Alijew

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Rakhat Alijew, der ehemalige Botschafter Kasachstans, wird nicht in seine Heimat ausgeliefert. Es sei nicht auszuschließen, dass der Ex-Diplomat in seiner Heimat einer politischen Verfolgung ausgesetzt wäre.

Wien. Die Affäre um den früheren Botschafter Kasachstans in Österreich, Rakhat Alijew, ist um ein brisantes Kapitel reicher: Die von der kasachischen Führung seit Langem begehrte Auslieferung des Ex-Diplomaten – Alijew wird für die Entführung und die Ermordung zweier Bankmanager verantwortlich gemacht – wurde nun von Österreich für „nicht zulässig“ erklärt. Es sei nicht auszuschließen, heißt es sinngemäß, dass Alijew in seiner Heimat einer politischen Verfolgung ausgesetzt wäre.

Der Ex-Botschafter hatte 2007, nach einem Zerwürfnis mit dem kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew (Alijew war einst der Schwiegersohn von Nasarbajew) in Österreich Zuflucht gesucht, ist dann aber von der Bildfläche verschwunden – und wird mittlerweile auf Malta vermutet. Er selbst ließ kürzlich via Anwälte ausrichten, dass er Österreich verlassen habe, „um dieses Land nicht weiterhin dem politischen und wirtschaftlichen Druck, der von der Republik Kasachstan ausgeübt wird, auszusetzen“. Im Jänner 2010 habe er sich kurzzeitig zu einem Gespräch mit dem kasachischen Außenminister in Wien aufgehalten.

Das Auslieferungsbegehren wurde von Kasachstan gestellt, weil man ein in Alijews Abwesenheit ergangenes Urteil eines Gerichts in Almaty vollstrecken möchte. Laut diesem Urteil muss Alijew wegen Entführung zweier Bankmanager 20 Jahre Haft verbüßen. Auch die Rückkehr von vier – ebenfalls in Kasachstan verurteilten – Helfern wurde begehrt. Aber diese Auslieferung wird eben mit Verweis auf einen möglichen „politischen Charakter“ des Falles von Österreich verwehrt.

Vorerst keine Morduntersuchung

Dies bedingt nun aber, dass Österreich selbst ermitteln muss. Genau das sei auch der Fall, wie Michaela Schnell, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, am Freitag der „Presse“ bestätigte. Es werde ab sofort wegen Entführung und wegen Vermögensdelikten gegen Alijew ermittelt. Alijew hat die Vorwürfe stets bestritten.

Dem Verdacht, dass Alijew die beiden Bankmanager auch ermorden ließ, werde nun aber bis auf Weiteres nicht nachgegangen. Schnell: „Das dürfen wir nicht.“ Dazu muss man wissen: Erst vor einigen Wochen wurde klar, dass es sich bei zwei Leichen, die auf einem früheren Alijew-Grundstück gefunden wurden, um die „verschollenen“ Bankmanager handelt. Insofern ist zu erwarten, dass Kasachstan in Kürze einen neuen Auslieferungsantrag stellt. Und zwar wegen Strafverfolgung – bezogen auf zweifachen Mord.

Erst wenn über dieses neue zu erwartende Auslieferungsbegehren entschieden ist, könne Österreich auch wegen des Verdachts des Doppelmordes ermitteln, so Sprecherin Schnell. Genau genommen nur dann, wenn auch dieses neue Begehren zurückgewiesen werden sollte. Zum Vergleich: Es hatte zwei Jahre gedauert, ehe über das vorliegende Begehren der Kasachen entschieden wurde.

Indessen wittert Gabriel Lansky, der Anwalt der Witwen der mutmaßlichen Alijew-Opfer, einen „riesigen Korruptionsfall“ aufseiten der österreichischen Behörden. Österreich agiere „dilettantisch“, habe ein „Fluchthilfekonzept“ für Alijew ausgearbeitet. Alijews Anwalt Otto Dietrich wiederum ist über die Ablehnung der Auslieferung erfreut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2011)

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