Transparenz gibt es nur mit offengelegten Parteispenden

(c) Clemens Fabry
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Ein weiteres Vorhaben wird in den Herbst verschoben: ein transparentes Parteispendensystem. Ohne das müssen sich SPÖ und ÖVP Vorwürfe gefallen lassen.

Leitartikel

Werner Faymann und Michael Spindelegger lieben den Herbst: Dann wird der Feinschliff für die Oberstufenreform erfolgen. Dann wird der zweite Teil der Transparenzmaßnahmen verhandelt und beschlossen werden. Dann wird einmal richtig Politik gemacht. Denn eigentlich ist die Politik jetzt schon mit halbem Fuß in den Sommerferien, die offenbar die Schulen dem ganzen Land vorgeben. Da geht sich kaum mehr etwas aus.

Im Herbst kann man die Themen dann auf den Jahresanfang und von dort auf den Frühling verschieben, bis wieder der Herbst als Rettung naht. Diese Bundesregierung ist vor allem in einem gut: im Aufstellen möglichst langfristiger Terminkalender, die mit Ankündigungen gefüllt werden können.

Aber immerhin einigten sich SPÖ und ÖVP auf ein paar Regeln für mehr Transparenz. Nachdem ÖVP-EU-Mandatar Ernst Strasser seine Lobbyisten-Dienste vor der versteckten Kamera einer britischer Journalistin in einem denkwürdig peinlichen Auftritt angeboten hatte und auch andere berufliche Politikernebentätigkeiten in Sachen politische Überzeugungsarbeit ruchbar wurden, musste eine Regelung her. Die betrifft zwar vor allem hauptberufliche Lobbyisten, die mit Ernst Strasser nichts zu tun haben, ist aber begrüßenswert.

Wie in anderen entwickelten Demokratien wird es ein eigenes Register geben, in das sich bei Unternehmen und bei Interessenverbänden wie der Industriellenvereinigung beschäftigte Lobbyisten eintragen lassen müssen. Allerdings wurde hier eine österreichische Ausnahme geschaffen, die so skandalös ist, dass fast die Vermutung naheliegt, dass da jemand etwas zu verbergen habe: Die Mitarbeiter der Kammern müssen nicht namentlich genannt werden. Entweder ist ihnen die Zugehörigkeit also peinlich, was manchmal nachvollziehbar sein mag, oder aber SPÖ und ÖVP glauben, dass die Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse für Arbeitnehmer und Arbeitgeber edler ist als solche für Industrie oder freiwillig zahlende Kunden der Lobbyisten. Das andere Gesetz, das am Dienstag im Ministerrat auf den Weg gebracht wurde, ist im Gegensatz zur neuen Lobbyisten-Regelung in jeder Hinsicht ein österreichisches Unikum: Die künftige halbjährliche Pflicht der Meldung von Inseraten staatsnaher Betriebe und Ministerien in Medien war notwendig geworden, da die Kritik an der Vergabepraxis Werner Faymanns in Richtung „Krone“ und „Österreich“ immer lauter wurde.

Eine solche Offenlegung von Geldströmen sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, in Österreich muss man sie mittels Gesetz erst zum Teil der politischen Kultur machen. Aber ein Fortschritt ist es natürlich allemal.

Eine solche gesetzliche Regelung braucht das Land aber im wichtigsten und für strukturelle Korruption anfälligsten Bereich: im – im mittel- und westeuropäischen Vergleich selten intransparenten – System von Parteispenden, die in Österreich de facto – etwa praktisch in kleinere Beträge gestückelt – hemmungslos und geheimnisvoll betrieben werden.

Obwohl sich die Parteien ordentlich mittels Wahlkampfkostenrückerstattung und Förderungen aus dem Steuertopf bedienen, werden noch private oder institutionelle Spender gesucht und gefunden. Wer da etwa die wundersame Schuldenreduzierung der SPÖ unter Alfred Gusenbauer finanzierte, ist ebenso unklar wie die Frage, ob die Volkspartei nun mehr Geld von befreundeten Banken oder der Industriellenvereinigung bekommt. Der Bürger hätte aber das Recht, dies genau zu wissen.

Ob sich SPÖ und ÖVP im Herbst zur gläsernen Kassa durchringen können und werden, darf zwar bezweifelt werden, sollte aber medial und politisch zu einem der entscheidenden Punkte dieser Legislaturperiode werden. Bleiben SPÖ und ÖVP in dieser Frage – und die Volkspartei soll da bisher mehr gemauert haben als die unwillige SPÖ – bei ihrem bisherigen System der Schlupflöcher, dann müssten sie sich schlicht den Korruptionsvorwurf gefallen lassen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2011)

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