Dänemark will straffällige Ausländer abschieben

(c) EPA (Akhtar Soomro)
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Erst ins Kittchen, dann raus aus dem Land. Ausländer, die in Dänemark eine kriminelle Handlung begehen, sollen ausgewiesen werden. Die neuen Regeln betreffen auch Touristen, die straffällig werden.

Kopenhagen. Eine Ohrfeige im Nachtlokal, ein Autounfall unter Alkoholeinfluss, ein verbotenes Messer in der Tasche: Künftig reichen derartige Delikte, um Ausländer aus Dänemark auszuweisen.

Die Regierung in Kopenhagen will es statt zur Ausnahme zur Regel machen, dass kriminelle Handlungen ausländischer Staatsbürger zum Landesverweis führen. Eine Freiheitsstrafe solle automatisch die Abschiebung nach sich ziehen, wenn dies nicht „mit Sicherheit“ gegen internationale Konventionen verstoße, heißt es in dem Gesetzesvorschlag. Dieser soll Ende dieser Woche von einer großen Mehrheit im Kopenhagener Parlament verabschiedet werden.

Droht Verfahren in Straßburg?

Ausgelöst wurde die Strafverschärfung durch den Fall eines Bandenführers, der trotz langjähriger Gefängnisstrafe sein Bleiberecht behielt, weil er in Dänemark acht Kinder hat. Statt die Regeln so anzupassen, dass derartige Urteile in Zukunft vermieden werden, geht die Regierung nun nach den Worten von Integrationsminister Søren Pind gleich an die „Grenze des Machbaren“.

Während bisher die Staatsanwaltschaft bei schweren Delikten die Ausweisung als Zusatzstrafe beantragen konnte, ist diese fortan automatisch Folge einer Freiheitsstrafe, ungeachtet dessen, wie kurz oder lang diese ausfällt. „Wir sagen den Richtern: Ihr sollt so weit gehen, wie ihr nur könnt“, sagt Pind. Sollte diese Vorgangsweise Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auslösen, „nehmen wir dies in Kauf“.

Die neuen Regeln betreffen sowohl Touristen, die straffällig werden, als auch fest ansässige Ausländer. Nur dann, wenn völlig klar sei, dass eine Ausweisung gegen die Konventionen verstoße, sollen die Richter Gnade walten lassen.

So dürfen Delinquenten nicht in Länder ausgewiesen werden, in denen ihnen Verfolgung droht. Sie sollen dann zu „bedingter Ausweisung“ verurteilt werden, die in Kraft gesetzt werden kann, wenn sich die Zustände im Heimatland ändern. In allen Zweifelsfällen sollten die Gerichte die Abschiebung in Kraft setzen, heißt es in den Anweisungen.

Die neuen Regeln wurden fast ohne öffentliche Debatte durchs Parlament gepeitscht: Erst am Dienstag, drei Tage vor dem Parlamentsvotum, machte die Zeitung „Information“ auf das Gesetz aufmerksam.

Kritik von Rechtsexperten

Auch die politische Opposition reagierte nicht, Sozialdemokraten und Sozialisten wollen dem Vorschlag zustimmen, nur die Sozialliberalen und die rot-grüne Einheitsliste sind dagegen. Scharfe Kritik kommt hingegen von Rechtsexperten. Bisher habe der Oberste Gerichtshof bei Ausweisungen eine sehr vorsichtige Linie verfochten, sagt die Juraprofessorin Eva Smith. „Eine Verschärfung anzupeilen wäre legitim. Doch nun fällt man gleich in die andere Gruft.“ Jonas Christoffersen, Direktor am Kopenhagener Institut für Menschenrechte, sagt Dänemark eine Reihe von Niederlagen vor dem Europäischen Gerichtshof voraus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2011)

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