„I love Hitler!“ Modemacher Galliano vor Gericht

(c) AP (Thibault Camus)
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Der einstige Dior-Star musste sich wegen Antisemitismus verantworten. Alkohol und Medikamente seien schuld daran gewesen, sagt er.

Vor dem Pariser Justizpalast war das Gedränge der Journalisten und Fotografen so groß wie zu John Gallianos besten Zeiten, als er für Dior die Mannequins mit der Haute Couture auf den Laufsteg schickte. Damit ist es für ihn vorerst vorbei. Er ist vom Pariser Modehaus wegen antisemitischer und rassistischer Beschimpfungen übelster Art entlassen worden.

Jetzt musste er sich deswegen auch noch vor Gericht verantworten. Im Februar war er völlig betrunken von der Polizei festgenommen worden, nachdem er in einem Bistro im Pariser Marais-Viertel angeblich grundlos eine Jüdin und einen Asiaten mit Bemerkungen über ihre Herkunft beschimpft hatte. Drei andere Gäste sagten allerdings zu Gallianos Gunsten aus, sie hätten nichts Derartiges gehört.

Nach diesem Eklat in den Medien meldete sich dann aber eine weitere Person, die ebenfalls Klage gegen ihn, ebenfalls wegen antisemitischer Beleidigungen, einreichte. Und um Gallianos Maß endgültig voll werden zu lassen, publizierte die britische Zeitung „The Sun“ in ihrer Internetausgabe ein Video, auf dem man ihn in stark angetrunkenem Zustand in einem Café sagen hört: „I love Hitler!“ Zudem verwünschte er die anderen Gäste mit Anspielungen auf die Judenvernichtung durch die Nazis: „Eure Mütter und Väter wären alle vergast worden!“

Er selbst erinnert sich an fast gar nichts mehr, beteuert aber, solche Äußerungen würden nicht zu ihm passen, er sei kein Rassist oder Antisemit.

Die Verteidigung ersuchte das Gericht um Nachsicht, da ihr Klient seit dem Tod seines Vaters und Gefährten in eine Abhängigkeit von Medikamenten geraten sei. Er habe zu viel getrunken und dazu „Pillen wie Bonbons geschluckt“. Seit seiner Entlassung durch seinen bisherigen Arbeitgeber Dior habe er sich einer Entziehungskur zuerst in den USA und dann in der Schweiz unterzogen. Noch befinde er sich auf dem Weg der Genesung, sagte Galliano dem Richter kleinlaut.

Mehr als für seine Worte der Reue interessierten sich die zahlreichen Medienvertreter aus aller Welt dafür, wie sich John Galliano für sein Defilee vor dem Richter anziehen würde: Er erschien ohne Hut, in einem schwarzen dreiteiligen Anzug, ohne Hemd darunter, aber mit einem locker geknüpften dunklen Halstuch mit weißen Tupfen.


Als Modeschöpfer hatte Galliano zuerst bei Givenchy und danach als Stardesigner bei Dior nicht nur mit theatralischen Kreationen, sondern auch mit seinem exzentrischen Auftreten bei den Modeschauen für Aufsehen gesorgt. Zu seiner Entlassung durch Dior meinte der Pariser Marketing-Professor Benoît Heilbrunn, der Antisemitismus-Skandal sei für das Pariser Modehaus bloß ein Vorwand gewesen, um einen Designer loszuwerden, dessen Karriere zu Ende ging.

Am Ende der mehrstündigen Verhandlung zog sich das Gericht schließlich zur Beratung zurück, das Urteil soll erst am 8. September bekannt gegeben werden. Bei Strafklagen wegen Rassismus und Antisemitismus kennt die französische Justiz in der Regel keine Nachsicht. Galliano riskiert bis zu sechs Monate Haft und 21.000Euro Geldbuße. Die Staatsanwältin beantragte für ihn eine Strafe von mindestens 10.000 Euro.

Auf einen Blick

John Gallianos Stern stieg in den 1980er-Jahren steil am Modehimmel empor. Geboren auf Gibraltar, studierte er in London Design, startete eine eigene Modemarke und wurde 1987 British Designer of the Year.

Danach zog er nach Paris, heuerte bei Givenchy an und schaffte es bis zum Hauptdesigner. Als solcher sorgte er mit seinem respektlosen Stil für Aufsehen. 1997 wechselte er zu Dior, wurde ebendort nach mehreren Skandalen im Winter 2011 entlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2011)

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