P&C-"Weltstadthaus": Brutalarchitektur in Wien

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Die Wiener verteidigen ihre Stadt schon lange nicht mehr. Sie haben resigniert – gegenüber Behörden und Primat der Wirtschaft.

Nun macht er sich also auch in der Kärntner Straße breit, der deutsche Großkonzern. Klotzen nicht kleckern, scheint die Devise gewesen zu sein, nach der Peek&Cloppenburg sein „Weltstadthaus“ hat gestalten lassen. Es ist ein Allerweltstadthaus geworden, dessen brutale Rasterfassade durchaus in jede x-beliebige deutsche Nachkriegs-Fußgängerzone passen würde. Sein großspuriger Auftritt in der Wiener City, in der immer noch eine Spur eleganten großbürgerlichen Flairs spürbar ist, wirkt peinlich deplatziert.

Warum hat die Stadt dieser grobschlächtigen Gestaltung zugestimmt? Aus drei Gründen. Erstens ist da der klingende Architektenname: Mit David Chipperfield wurde ein „Stararchitekt“ verpflichtet, der als Spezialist für Bauen in sensibler Umgebung gilt.

Ignorierte Nachbarschaft

Chipperfield ist durch den Wettbewerb um die Berliner Museumsinseln berühmt geworden und hat im Ensemble der Innsbrucker Maria-Theresien-Straße ein Großkaufhaus errichtet, das insgesamt als gelungene Lösung betrachtet wurde. Durch Knicke in Fassade und Dachlinie hat er sich dort tatsächlich bemüht, den Bau in den Prospekt der Straße einzufügen.

Für den Wiener Auftrag musste ein primitiver Block genügen, der die Nachbarschaft nicht nur ignoriert, sondern geradezu lächerlich macht. Der links anschließende Bau, einst von Adolf Loos als das „schönste neue Haus von Wien“ gepriesen, wirkt nun komplett an den Rand gedrängt, geradezu mickrig. Der unmaßstäbliche Bau des „Flagshipstores“ ist ein perfektes Beispiel dafür, dass ein klingender Architektenname keine Garantie für Qualität bedeutet.

Als zweite Ursache für diesen Lapsus der Stadtbildpflege kommt die notorische behördliche Ignoranz der historischen Bausubstanz gegenüber zum Tragen. Der Monumentalbau, der sich nun über drei ehemalige Hausparzellen erstreckt und durch seine unstrukturiert durchlaufende Lochfassade den Rhythmus der Häuserzeile erstickt, widerspricht sogar jenen Richtlinien, die die Stadt 2005 gemeinsam mit der UNESCO festgeschrieben hat.

Das Beispiel Prager Wenzelsplatz

Im „Wiener Memorandum“, das darauf abgezielt hat, einen flexiblen Umgang mit geschützten historischen Zentren zu ermöglichen, heißt es immerhin: „Hochwertige Architektur (...) sollte die gegebenen Maßstäbe entsprechend berücksichtigen, insbesondere im Bezug auf Gebäudevolumen und Höhe (...) grundsätzlich müssen Proportion und Gestaltung in die jeweilige Art der historischen Struktur und Architektur passen.“

Dies ist hier zweifellos nicht der Fall, die Baubehörden haben sich großzügig über die selbst verfassten Prinzipien hinweggesetzt.

Drittens schließlich hat die Obrigkeit in dieser Stadt keinerlei negative Reaktion der BürgerInnen zu befürchten. Wenn dagegen etwa am Prager Wenzelsplatz Ähnliches passiert, protestiert nicht nur der besorgte „Klub für das alte Prag“, dann appellieren auch Persönlichkeiten wie Václav Havel an den Kulturminister.

Was uns dieses Haus sagen will

Die Wiener verteidigen ihre Stadt schon lange nicht mehr, sie haben resigniert, gegenüber den Behörden und gegenüber dem absoluten Primat der Wirtschaft über die Baukultur. Und vielleicht ist es gerade dies, was uns dieses Haus sagen will. Seine geradezu faschistoide Gestaltung bringt jene Gewalt zum Ausdruck, mit der sich die „Global Players“ gnadenlos über noch vorhandene Reste eines Genius Loci hinwegsetzen. Also doch eine ehrliche Sache?

Andreas Lehne lebt als Kunst- und Architekturhistoriker in Wien. Er ist Autor des Buchs „Wiener Warenhäuser – 1865–1914“.

Der Inhalt von Gastkommentaren spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider und entspricht nicht zwangsläufig der Meinung der "Presse".


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2011)

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