Dürfen Musliminnen Sport treiben?

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Nach der Aussage, Sport sei für Frauen nicht gesund, hat Ahmet Hamidi schließlich die Konsequenz aus der Debatte gezogen, und tritt als Vizepräsident der IGGiÖ zurück. Kritik kommt von Theologie und Medizin.

Wien. Der Schwimmunterricht ist einer jener Grenzbereiche, in denen Auffassungsunterschiede zwischen weltlichen und muslimischen Vorstellungen regelmäßig aufeinanderprallen. Zuletzt wurde diese Konfliktlinie durch eine Aussage von Ahmet Hamidi sichtbar – er antwortete bei einer Diskussion in Wiener Neustadt auf die Frage nach Schwimmunterricht für muslimische Mädchen, dass „zu viel Sport für den weiblichen Organismus nicht gut“ sei. Hamidi ist nicht nur Arzt, der in Wien eine eigene Ordination betreibt, sondern war bis gestern, Freitag, auch Vizepräsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ).

Auch wenn Hamidi seine Aussagen später relativierte, er habe nur von Leistungssport gesprochen – die Debatte war längst angefacht. Und Fuat Sanac, der morgen, Sonntag, mit großer Wahrscheinlichkeit zum neuen Präsidenten der IGGiÖ gewählt werden wird, musste zum Kalmieren ausrücken. Hamidis Aussage, dass Sport für Frauen nicht gesund sei, sei keine offizielle Meinung der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Allerdings: Es gebe religiöse Vorschriften, dass Mädchen ab dem Pubertätsalter in Gegenwart von Männern bestimmte Körperteile nicht mehr zeigen dürften. Das gelte eben auch beim Schwimmunterricht.

„Müssen uns an Gesetze halten“

Dass es damit Probleme gebe, bestreitet Sanac. „Es gab nur ein paar Einzelfälle“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“. Einige Eltern hätten bei der Glaubensgemeinschaft angerufen und um Rat gebeten. „Da raten wir, darüber mit der Schulleitung zu reden.“ Bis jetzt habe man alle Probleme durch Dialog lösen können. Manche Mädchen würden dann eben in Vollbekleidung am Schulschwimmen teilnehmen. Und manche muslimische Eltern würden ihre Bedenken sogar ganz aufgeben. „Klar ist, dass das eine religiöse Ansicht ist.“ Und der Islam sage dazu eben das, was durch den Propheten Mohammed überliefert wurde.

„Aber wir leben in einem Land, in dem Gesetze gelten. Also müssen wir diese Gesetzte akzeptieren“, sagt Sanac. Und der Schwimmunterricht sei nun einmal Pflicht. Das gelte auch für Muslime. Einen Kompromiss hat man gemeinsam mit dem Wiener Stadtschulrat schon gefunden: Im Jörgerbad gibt es eigene Schulschwimmzeiten, die vor allem für muslimische Schülerinnen gedacht sind. Abgesehen davon wird auch das Frauenschwimmen im Amalienbad gerne von Musliminnen genützt – die Kinderfreunde Wien mieten die Schwimmhalle zweimal im Monat, um Frauen die Möglichkeit zu geben, fernab männlicher Blicke zu baden.

„Die Bekleidungsvorschriften, die in der Öffentlichkeit gelten, sind theologisch begründbar“, sagt Religionspädagoge Ednan Aslan von der Uni Wien. „Aber das ist kein Hindernis für den Sport.“ Aus der prophetischen Tradition wisse man sogar, dass Männer und Frauen gemeinsam Sport betrieben haben – dass sie es auch weiterhin machen, sei theologisch ebenfalls begründbar. Aslan hält Hamidis Aussage aus religiöser Sicht jedenfalls für „unüberlegt und unislamisch“.

Rücktritt und weitere Rücktrittsforderungen

Ob unislamisch, unüberlegt oder nicht: Hamidi hat schließlich eine Konsequenz aus der Debatte gezogen. Er hat sein Amt als Vizepräsident der IGGiÖ niedergelegt. Auch wenn er anmerkt, dass das „kein Schuldeingeständnis“ sei, schließlich habe er die kritisierten Aussagen in dieser Form nie getätigt. Seine Funktion als Fachinspektor für den islamischen Religionsunterricht will er weiter ausüben – auch wenn aus dem Wiener Stadtschulrat am Freitag die Forderung laut wurde, die IGGiÖ solle ihn von dieser Funktion abziehen. Hamidi selbst verstand seine Meinung allerdings nicht als „islamische Stellungnahme, sondern als die eines Arztes“.

Doch auch vonseiten der Ärzte kann er nicht mit Rückhalt rechnen. So versandte die Ärztekammer am Freitag eine offizielle Stellungnahme: Hamidis Wortmeldung sei „ohne jegliche wissenschaftliche Evidenz“, so Präsident Walter Dorner. Und man prüfe, ob man eine Sachverhaltsdarstellung an den Disziplinaranwalt leiten werde.

Auf einen Blick

Aufregung: Ahmet Hamidi, Vizepräsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, sagt bei einer Diskussion am Dienstag, dass Sport für den weiblichen Organismus nicht gesund sei.

Empörung: Politiker aller Couleurs kritisieren die Aussage. Auch Mediziner und Theologen widersprechen. In der Glaubensgemeinschaft distanziert man sich von Hamidis Aussagen – verteidigt aber den getrennten Schwimmunterricht von Mädchen und Buben.

Rücktritt: Hamidi tritt am Freitag als Vizepräsident zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2011)

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