Über die Kraft des christlichen Glaubens im Swinging London

Die Welt ist eine Schicksalsgemeinschaft. Wer hilft, soziale Grenzen zu überschreiten und der Welt eine Richtung zu geben?

Bimail

London ist eine Weltstadt im eigentlichen Sinn des Wortes. 15 Millionen Menschen sprechen mehrere Hundert Sprachen. Man sagt, London sei die meistbesuchte Stadt der Welt. Nicht nur die Banken haben hier einen Knotenpunkt ihres globalen Netzwerkes, auch die wichtigsten Universitäten rühmen sich ihrer Studenten und Lehrenden aus über 140 Nationen.

Die Touristenströme am Piccadilly Circus und am Trafalgar Square sind schwindelerregend. Doch lohnt sich auch ein Besuch jener Viertel, die von speziellen Kulturen geprägt sind. Am Markt von Brixton fühlt man sich nach Afrika versetzt. In Stamford Hill trifft man Scharen ultraorthodoxer jüdischer Buben mit Schläfenlocken und Kippa. Ausgeflippte Jugendkultur findet sich in Camden Town.

Wer in London lebt, kann nur staunen: Was hält diese Stadt zusammen? Technokratische Kühle und wirtschaftliche Härte lassen zunächst vermuten, man befinde sich in einer Hochburg der Säkularisierung. Doch der erste Eindruck trügt.

Trotz jahrhundertelanger Unterdrückung und beschämender Skandale lebt die katholische Kirche hier auf. In den Sonntagsgottesdiensten katholischer Pfarren treffen sich internationale Immigranten aus aller Welt, die Kirchen sind übervoll mit jungen Familien. Nicht nur traditionell katholische Iren, Polen oder Filipinos, auch Franzosen, Amerikaner und Deutsche treffen sich in der katholischen Messe. Beim Papstbesuch im September letzten Jahres schlug die mediale Stimmung – trotz großer Reserviertheit im Vorfeld – abrupt um, weil die lebendige, weltweit verbindende Kraft des christlichen Glaubens im Hyde Park auch für Skeptiker erlebbar wurde.

Diese verbindende Kraft erregte schon zurzeit Jesu Staunen. Nicht nur dieser oder jener Verrückte war von der Wirkung dieses Menschen fasziniert, sondern auch Angehörige verschiedenster Kulturen – Judäer, Römer, Griechen, Äthiopier –, eine Mischung, die die Welt repräsentierte. Das Lazarus-Wunder gibt diesem – sonst bei Johannes oft negativ besetzten – „Kosmos“ eine positive Richtung.

Die Welt geht Jesus nach, um eine Gemeinschaft über den Tod hinaus zu werden. Jesu Glaube an den einen Gott zieht an, weil er notwendigerweise dazu herausfordert, die ganze Welt in den Blick zu nehmen. Jesus steht damit in der Tradition weitblickender Propheten, wie der Dichter von Psalm8 einer war: „Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde.“

In den letzten Jahrzehnten ist unser Bewusstsein dafür gewachsen, und kein Zweifel kann mehr bestehen: Die Welt ist eine Schicksalsgemeinschaft. Wer hilft, soziale Grenzen zu überschreiten, Gemeinsamkeit zu schaffen und der Welt eine Richtung zu geben?

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2011)

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