Nachruf: "Da wäre noch eine Kleinigkeit"

Peter Falk verstorben waere
Peter Falk verstorben waere(c) REUTERS (HO)
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Im zerknitterten Trenchcoat und mit zerkauter Zigarre führte Peter Falk als Inspektor Columbo die Upperclass vor. In der Nacht auf Freitag starb Columbo im Alter von 83 Jahren in seinem Haus in Beverly Hills.

Nicht besonders imposant, dieser Inspektor Columbo, mag sich so mancher gedacht haben: Eher klein von Wuchs, irgendwie windschief, mit Eierschalen in den Manteltaschen – und auch sonst ziemlich schlampig gekleidet. Und dieser Trenchcoat! Kein ernst zu nehmender Gegner, so schien es, für die Täter, die meist aus der Upperclass stammten: Es waren Anwälte und Richter, Politiker und Manager, hoch bezahlte Schauspieler und berühmte Zauberer. Sie empfingen den kleinen Inspektor in riesigen Eingangshallen, auf weitläufigen Treppen, in geschmackvoll eingerichteten Salons. Nein, da gehörte einer wie Columbo, der nur einen klapprigen Peugeot fuhr, nicht hin. Verdächtige empfingen ihn darum schon einmal mit der Bemerkung: „Wir kaufen nichts.“ Und auf sein „Ich bin Polizist“ erntete er ein hämisches „Und ich bin Arnold Schwarzenegger“.

Dann geschah Folgendes: Columbo stellte seine Fragen. Es war ja angeblich nur Routine. Nur für den Report. Aus Neugier. Und ja, eine Frage hätte er noch, eine letzte: „Entschuldigen Sie, da wäre noch eine Kleinigkeit.“ Und dann machte er den Täter auf eine Ungereimtheit aufmerksam, und der verstrickte sich im Versuch, diese Ungereimtheit zu erklären, noch weiter in Widersprüchen. Eine Taktik, die nur funktionierte, weil keiner diesen Inspektor ernst nahm. Weil all diese großartigen Richter, Politiker und Zauberer unvorsichtig wurden. Sich in ihrem Dünkel sicher wähnten. Das kostete sie den Kopf – oder wenigstens die Freiheit (um die Bestrafung machte sich diese Serie keine Gedanken).

Beruf: Rationalisierungsexperte. Peter Falk verkörperte diesen schusseligen Inspektor, der angeblich im Vornamen Frank hieß, obwohl auch das nicht sicher ist, perfekt. Er lieh ihm den schief gelegten Kopf, die Dackelfalten, den naiven Blick, die typischen Bewegungen: Wie er die Hand hob und auf die Stirn legte, weil ihm noch etwas eingefallen war. Wie er sich im Gehen umwandte, immer gemächlich, denn Inspektor Columbo hatte Zeit. Keiner konnte so einfältig dreinschauen – und keiner so listig wie Peter Falk. Es war eine Rolle, die ihm auf den Leib geschneidert war – die er sich auch selbst auf den Leib schneiderte, immerhin hatte er zum Missfallen mancher Autoren so einiges mitzureden. Der berühmte Trenchcoat war keine Idee der Requisite. Peter Falk hatte ihn vor Drehbeginn gekauft – und Jahrzehnte lang getragen. „Der Mantel hat also sehr hart gearbeitet“, meinte er einmal.

Der erste Columbo-Film mit ihm in der Titelrolle wurde 1968 auf NBC ausgestrahlt. Und wurde prompt ein Riesenerfolg. Ab 1971 folgte eine TV-Staffel nach der anderen. Erst mit Verspätung wurde die Serie – zumindest in der deutschen Version leider oft stark verstümmelt – in Europa gezeigt. Dort, wo seine Eltern herkamen: Falk wurde 1927 als Sohn von jüdischen Einwanderern aus Tschechien und Ungarn geboren. Seit seinem dritten Lebensjahr war er durch eine Tumoroperation am rechten Auge blind. Mit 15 ging er zur Handelsmarine – wegen seines Glasauges schaffte er es allerdings nur bis in die Kombüse. Ein bürgerlicher Beruf als Rationalisierungsexperte, der dem Staat angeblich Millionen ersparte, konnte ihn nicht lange reizen: Ab 1955 nahm er Schauspielunterricht und ließ sich auch nicht aufhalten, als der damalige Columbia-Chef ihm erklärte, für die geforderte Gage bekäme er einen Schauspieler, der nicht nur eines, sondern zwei Augen besitze.

1960 wurde Peter Falk für seine Rolle als Auftragskiller in Unterwelt für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert, ein Jahr später folgte die zweite Nominierung: In Die unteren Zehntausend (1961), dem letzten Kinofilm von Frank Capra, verkörperte er Joy Boy. Daran, dass er für Ehemänner und Eine Frau unter Einfluss mit John Cassavetes zusammenarbeitete und dass er für Wim Wenders im Himmel über Berlinals Engel im Trenchcoat über den Potsdamer Platz geisterte, denkt kaum einer. Denn der „Columbo“ überstrahlte alles.

68 TV-Folgen in zehn Staffeln. Zwischen 1971 und 2003 wurden 68 TV-Folgen gedreht, zum Teil mit längeren Pausen zwischen den insgesamt zehn Staffeln. Die längste legte er ab 1978 ein: Die große Zeit der Fernsehdetektive war abgelaufen, in den US-Kabelnetzen machten sich Soaps breit. Zudem wurde es immer schwieriger, erstklassige Drehbücher zu finden – man sieht das manchen Folgen aus diesen Jahren an. Und: Falk wollte sich nicht länger auf die Rolle des Inspektors festlegen lassen. Doch der anhaltende Erfolg der Wiederholungen führte zu einem Umdenken der Fernsehsender. Falk ließ sich überreden. Zur Wiederaufnahme der Dreharbeiten 1989 mussten viele Probleme gelöst, vor allem die unentbehrlichen Requisiten wiedergefunden werden. So hatten die Studios den Peugeot längst verkauft, nach langer Suche wurde er bei einem Sammler in Ohio gefunden – und reaktiviert. Viel einfacher war es beim Trenchcoat: Falk selbst hatte ihn sorgsam aufbewahrt.

2003 wurde die Serie erneut eingestellt. Peter Falk verlegte sich auf die bildende Kunst: Seine Zeichnungen bot er über seine Webseite an, oft waren es Akte, manchmal auch Selbstporträts, auch als Inspektor Columbo. Die Fan-Community hoffte auf weitere Folgen. Doch daraus wurde nichts. Nach Angaben seiner Familie litt er unter Alzheimer. Schon bevor dies offiziell wurde, machte er durch wirre Auftritte von sich reden. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide, seine Adoptivtochter wollte die Vormundschaft für ihn übernehmen, diese wurde allerdings Falks Frau Shera zugesprochen.

In der Nacht auf Freitag starb Columbo im Alter von 83 Jahren in seinem Haus in Beverly Hills.


ORFeins ändert am Sonntag das Programm und sendet fünf Columbo-Folgen, u.a. „Mord nach Rezept“, „Eine Leiche zum Dessert“ (ab 21.55 Uhr).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2011)

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