Reform: Wie funktioniert die neue Oberstufe?

Reform funktioniert neue Oberstufe
Reform funktioniert neue Oberstufe(c) Michaela Bruckberger
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Eine Neuregelung des Sitzenbleibens ist längst nicht alles, was die Oberstufenreform bringt: Von Schwerpunktsetzung über Förderkurse bis zur vorgezogenen Matura. Die wichtigsten Neuerungen im Überblick.

Sitzenbleiben oder nicht Sitzenbleiben: Das ist derzeit die meistdiskutierte Frage, wenn es um die neue Oberstufe geht. Es ist aber längst nicht alles, was die Reform bringen soll – „Die Presse“ fasst die Neuerungen zusammen.

1 Bis wann soll die Reform umgesetzt werden?

SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied will die neue Oberstufe ab dem Schuljahr 2012/13 umsetzen. Innerhalb von fünf Jahren sollen dann pro Schuljahr 160 Standorte umgestellt werden. Ab 1. September 2016 soll das neue Modell für alle rund 800 AHS und BMHS gelten. Die Schulen können autonom entscheiden, ob sie das System ab der neunten oder ab der zehnten Schulstufe einführen.

2 Was genau bedeutet eigentlich „Modulsystem“?

Der Semesterstoff jedes Fachs wird in mindestens zwei abgeschlossene Stoffpakete zerlegt – in Mathematik der elften Schulstufe etwa in „Differentialrechnung“ und „Integralrechnung“. Grundgerüst bleibt der Lehrplan des jeweiligen Fachs. Wie die Module genau aussehen, bestimmt jede Schule autonom. So wird es zwar Muster geben, Schulen können aber Schwerpunkte setzen oder den Stoff in mehr als zwei Module einteilen. Bei Schulversuchen gibt es bis zu vier, in seltenen Fällen fünf Module.

3 Können Schüler die Module nach ihren Interessen wählen?

Ein echtes Kurssystem wie in den USA, wo Schüler Module frei wählen können, wird es nicht geben. Schüler sollen aber stärker Schwerpunkte setzen können als bisher.

4 Wie viele Module müssen positiv abgeschlossen werden?

Alle Module der Pflicht- und Wahlpflichtfächer müssen positiv abgeschlossen werden, damit ein Schüler zur Matura antreten kann.

5 Gibt es dann überhaupt noch eine Jahresnote?

Das Jahreszeugnis gibt es weiter, auch das Semesterzeugnis wird zu einem echten Zeugnis aufgewertet. In jedem Fach gibt es eine Note. Positiv ist der Schüler aber nur, wenn er alle Module des Fachs positiv absolviert hat. Kann er also bisher theoretisch durchkommen, wenn er drei Viertel des Stoffs beherrscht, ist das künftig nicht mehr möglich: Die Note ist auch dann negativ, wenn der Schüler zum Beispiel nur eines von vier Modulen nicht schafft. Dem Zeugnis liegt ein Zusatzblatt bei, in dem vermerkt ist, welche Module negativ sind.

6 Wie soll das Frühwarnsystem künftig funktionieren?

Droht in einem Modul ein Fünfer, kann dieser im laufenden Semester ausgebessert werden. Ist der Lehrer der Meinung, dass es hakt, gibt es ein Gespräch mit Schüler und Eltern, in dem Maßnahmen beschlossen werden: Selbstständiges Nachlernen, ein Lernbegleiter und/oder ein Förderkurs. Förderkurse sollen ab mehreren Schülern (im Gespräch ist eine Untergrenze von sieben) außerhalb der Unterrichtszeit angeboten werden.

7 Was, wenn das Modul am Ende des Semesters dennoch negativ ist?

Sind ein oder mehrere Module negativ, ist auch die Semesternote des jeweiligen Fachs negativ. Bis zu drei Fünfer kann man laut dem aktuellen Gesetzesentwurf durch Prüfungen über den Stoff der negativ beurteilten Module ausbessern (über die kritische Zahl der Fünfer wird allerdings noch diskutiert werden). Das heißt: Der Unterricht muss nicht nachgeholt werden, stattdessen gibt es weiter Lernbegleiter und Förderkurse, die auf die Prüfung vorbereiten. Drei bzw. mit Zustimmung des Direktors vier Prüfungsantritte sind pro Modul möglich, ab dem dritten Antritt kann sich der Schüler von einem anderen als dem Klassenlehrer prüfen lassen.

8 Wie lang hat ein Schüler Zeit, um negative Noten auszubessern?

Ein negatives Modul aus dem Wintersemester kann mit Prüfungen im Frühling und (sollten diese negativ ausfallen) im Herbst ausgebügelt werden. Um ein Modul aus dem Sommersemester auszubessern, treten Schüler im Herbst und (falls nötig) im November/Dezember an.

9 Wann muss ein Schüler nun das Jahr wiederholen?

Schafft ein Schüler die Prüfung auch beim dritten bzw. vierten Antritt nicht, muss er das ganze Jahr wiederholen; im Extremfall wird er erst im Dezember wieder zurückgestuft. Wenn ein Schüler in mehr als drei Fächern negativ ist, bleibt er automatisch sitzen. In positiv absolvierten Fächern kann er sich zwar nicht mehr verschlechtern, den Unterricht muss der dennoch besuchen. Er kann aber andere Schwerpunkte (z.B. Englisch vertiefend) wählen.

10 Wer ist der Lernbegleiter bzw. gibt es dafür Extra-Geld?

Der Lernbegleiter ist ein speziell geschulter Lehrer, im Optimalfall Mitglied der Klassenkonferenz. Im Rahmen der neuen Lehrerausbildung soll es spezielle Zusatzausbildungen geben. Die Coaching- und Förderstunden sollen extra bezahlt werden; an Versuchsschulen werden sie derzeit wie Supplierstunden entlohnt.

11 Wie werden Lehrer auf das neue System vorbereitet?

Neben der Zusatzausbildung zum Lernbegleiter sowie Schwerpunkten in der neuen Lehrerausbildung wird es in der Fortbildung berufsbegleitende Kurse geben.

12 Welche Angebote gibt es für besonders leistungsstarke Schüler?

Schüler können außerhalb der regulären Unterrichtszeit zusätzliche oder vertiefende Module absolvieren. Besonders talentierte Schüler können Module und Teilprüfungen vorziehen und schon früher zur Matura antreten. Angedacht ist auch, dass besonders gute Leistungen für den ersten Studienabschnitt an der Uni angerechnet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2011)

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