Priester und Laien sagen offen, was in Österreich katholischer Alltag ist: Nicht alles, was Rom anordnet, wird befolgt.
Natürlich müssen Bischöfe rasch und laut Halt sagen, wenn eine Priesterinitiative einen, wie sie selbst formuliert, „Aufruf zum Ungehorsam“ lanciert. Das ist wohl das Mindeste, was Rom von einer Art Filialleiter – wie Ortsbischöfe vom Vatikan häufig gesehen werden – verlangt. Dabei ist die Punktation Helmut Schüllers und seiner Mannen weniger ein Aufruf als eine Selbstverpflichtung der laut Eigenangaben 313 Priester und Diakone. Egal – die klaren Worte sind erfrischend ehrlich.
Die Kommunion wird auch Ausgetretenen und Geschiedenen gespendet, die wieder geheiratet haben, heißt es da, Laien sollen predigen – so what? Derartiges ist nicht nur in Österreich gelebte Praxis. Nur: Bisher hat es noch niemand gewagt, das so dezidiert zu sagen. Die Intervention von Schüller & Co. kann daher als ein Beitrag zu Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit gesehen werden.
Die Bischöfe wissen um den Dissens mit Rom. Und schauen weg oder machen nicht allzu viel Aufhebens darum. Man muss sich das ohnedies alles andere als leichte Leben ja nicht noch zusätzlich schwer machen. Übrigens: Auch Rom, auch der deutsche Papst Benedikt XVI. weiß sehr genau, was in deutschen Landen alles gespielt wird. Und schaut weg... – siehe oben. Das mag ihm Sympathiepunkte bringen. Zu einer Konfrontation (im besten Sinne!) der Standpunkte, zu einer redlichen, das Für und das Wider abwägenden Diskussion trägt ein derartiges Verhalten aber nicht bei. Wie überhaupt die Debattenkultur in der katholischen Kirche auf ein besorgniserregendes Niveau gedrückt wurde.
Vielleicht hat die Pfarrerinitiative jetzt das Ende der Betulichkeit im katholischen Gespräch um die Notwendigkeit von Reformen eingeläutet. Es ist an der Zeit, Klartext zu sprechen, die unbestreitbar wirkenden, zentrifugalen Kräfte zu bändigen. Da muss Rom Stärke zeigen. Und manche per Federstrich des Papstes zu ändernde Regeln – keineswegs die Glaubenssubstanz! – an die Gegenwart anpassen. Wäre so neu nicht in der Kirchengeschichte.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2011)