Gottschlich über Staberl: "Sein Metier war Häme"

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Der Professor für Publizistik betrachtet die Rückkehr des Kolumnisten Richard Nimmerrichter zur "Kronen Zeitung" mit Sorge. Er sei eine ausgesprochen negative Leitfigur des Journalismus.

Die „Zeit Online“ war es, die als Erste mit der Meldung aufhorchen ließ: „Staberl kehrt zurück“ war dort zu lesen – die „Kronen Zeitung“ hole „den glorreichsten Veteranen der wilden Kampagnen-Jahre aus dem Ruhestand“. Heute, Donnerstag, druckt das Blatt erstmals wieder einen Kommentar von Richard „Staberl“ Nimmerrichter ab. Mit 90Jahren – zehn Jahre nachdem ihn „Krone“-Herausgeber Hans Dichand im Streit in die Pensionswüste geschickt hatte. Dichand ist seit über einem Jahr tot. „Nach dem Anstandsjahr wird also wieder geheiratet“, ätzt Maximilian Gottschlich. Der Publizistikprofessor der Universität Wien betrachtet die Wiederkehr des grimmigen Schreibers in das bei Weitem auflagenstärkste Blatt der Republik mit Sorge: „Staberl ist eine ausgesprochen negative Leitfigur des österreichischen Journalismus – dass ihn die Weisheit des Alters besser gemacht hat, ist eher nicht zu erwarten.“

37 Jahre täglich eine Kolumne

37 Jahre lang schrieb Nimmerrichter täglich seine Kolumne, bekam dafür mehr als zehn Millionen Schilling im Jahr und mutierte zum „Chefideologen der Mieselsucht“, dem man Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus vorwarf. Die „Zeit Online“findet seine Rubrik im „polemischen Dreieck aus Verhöhnung, Niedertracht und Unbelehrbarkeit angesiedelt“. Für Gottschlich sind „die ,Krone‘ und der Staberl am antisemitischen Klima in Österreich beteiligt“ – und mit ein Grund, warum „Österreich so spät dran ist, ein neues Verständnis zur eigenen Geschichte zu gewinnen“.

Sogar Erich Schumann, damals Geschäftsführer der WAZ-Gruppe (sie hält 50Prozent an der „Kronen Zeitung“,die andere Hälfte gehört der Familie Dichand), durfte der „Krone“ 2003 ungestraft „antisemitische und rassistische Untertöne“ attestieren– eine Klage von Hans Dichand gegen Schumann endete 2004 wegen einer abgelaufenen Frist mit einem Freispruch, die Richterin sah den Vorwurf aber auch als belegt an: Als Beispiele nannte sie unter anderem ein Gedicht von Wolf Martin und eine Staberl-Kolumne über die Waldheim-Affäre 1988, in der Nimmerrichter den „NYT“-Journalisten Rosenthal auch „Rosenbaum“ oder „Rosenberg“ nannte: „Eine klassische Methode, antisemitische Emotionen anzusprechen“, urteilte die Richterin. Gottschlich hat damals nachgezählt: „Wir haben in der Causa Waldheim nachgewiesen, dass jeder dritte Artikel dazu in der „Krone“ antisemitisch war.“ Heute schreibt er für den Czernin-Verlag an einem Buch zur Causa Waldheim und zur Rolle der Medien, das im Herbst erscheint.

„Missbrauch publizistischer Macht“

„Wir haben 1986 eine Umfrage gemacht und sie jetzt wiederholt: Zwölf Prozent der Befragten sind noch immer der Ansicht, es wäre besser, in Österreich keine Juden zu haben. Wenn man ständig den Chauvinismus schürt, dann kriegt das eine Eigendynamik – der Einfluss der Medien ist nicht unerheblich für die Wahrnehmung der Geschichte.“ Zum Journalismus gehöre deshalb „ein gewisser moralischer Standard“, konstatiert Gottschlich – Nimmerrichter habe hingegen „den minimalen ethischen Ansatz unterlaufen. Sein Metier war die Häme, die üble Nachrede, die Diffamierung, er hat Ressentiments gepflegt und Menschen der Lächerlichkeit preisgegeben – das ist ein Missbrauch publizistischer Macht.“ Es sei zwar durchaus „gut, wenn man Konflikte schürt – aber man muss auch Argumente bereitstellen“. Staberl habe reine Stimmungsmache betrieben.

Im reaktionär-konservativen Eck

Gottschlich siedelt die „Krone“ politisch im „reaktionär-konservativen“ Eck an. Er findet, dass sich daran auch nach dem Tod Hans Dichands nichts geändert hat. „Christoph Dichand scheint primär ein Kaufmann zu sein, kein Journalist. Das ist zunehmend ein Problem der österreichischen Publizistik: Die Kaufmänner entscheiden, haben aber keine publizistische Vision.“ Dass die „Kronen Zeitung“einen 90-Jährigen für ihr mediales Facelifting verwende, „zeigt, dass sie kein journalistisches Potenzial haben“. Sorgen macht ihm aber mehr, dass das Gegengewicht zur „Krone“und einem wie dem Staberl fehlt: „Es besteht die Gefahr einer neuen Allianz – eine wachsende Bereitschaft, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zur Macht zu verhelfen. Da könnte sich eine unheilige Allianz zwischen Strache und der „Krone“ anbahnen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2011)

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