Brüssel folgt dem europaweiten Spardruck. Doch zugleich tut sich die Kommission immer schwerer, Finanzexperten und Wettbewerbsjuristen zu engagieren.
Brüssel. Weniger Vergünstigungen, länger arbeiten, später in Pension gehen: Die Folgen der Wirtschaftskrise treffen mit einiger Verspätung nun auch die Funktionäre der europäischen Institutionen.
Geht es nach EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, so werden die rund 55.000 EU-Beamten und Vertragsbediensteten ab dem Jahr 2013 eine 40-Stunden-Woche haben statt einer 37,5-Stunden-Woche. Sie werden statt mit 63 erst mit 65 Jahren in Pension gehen können; die Frühpension wird statt mit 55 erst mit 58 möglich sein, wobei die Frührentner finanzielle Einbußen erleiden. Ohne Abschläge gehen derzeit laut Kommissionszahlen rund 80 Personen pro Jahr mit 55 in Frühpension. Zudem können die automatisch ermittelten jährlichen Gehaltserhöhungen der Eurokraten im Fall von Wirtschaftskrisen künftig ausgesetzt werden.
Und die EU wird erstmals in der Geschichte ihr Personal verkleinern. Von 2013 bis 2017 sollen in allen Institutionen durch Pensionierungen und das Auslaufen befristeter Verträge fünf Prozent der Dienstposten wegfallen.
Verwaltung kostet sechs Prozent
All diese Maßnahmen sollen bis zum Jahr 2020 eine Ersparnis von einer Milliarde Euro bringen, hofft der zuständige Kommissar, der Slowake Maroš Šefčovič. Gemeinsam mit der bisher letzten Reform des EU-Beamtendienstrechts im Jahr 2004 würden den Steuerzahlern somit neun Milliarden Euro an Verwaltungskosten erspart.
Für die Verwaltung gibt die EU heuer rund 8,3 Milliarden Euro aus. Das sind zwar nur sechs Prozent des EU-Budgets, wie Brüssel zu betonen nicht müde wird. Doch im Zuge der letzten beiden Erweiterungen 2004 und 2007 sind die Verwaltungskosten stark gestiegen. 2007, zu Beginn der laufenden Finanzperiode, machten sie rund sieben Milliarden Euro aus. 2013 werden es mehr als neun Milliarden Euro sein.
Die Kommissionsführung hat erkannt, dass sie in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über den Rahmen für die sieben EU-Budgets von 2014 bis 2020 in Erklärungsnotstand gerät, wenn sie nicht bei sich selbst zu sparen beginnt.
Daher auch der Vorschlag, die sogenannte „Solidaritätsabgabe“ von derzeit 5,07 auf 5,5 Prozent zu erhöhen. Allerdings sind all diese Zahlen nicht Teil des offiziellen Vorschlags der Kommission. Zuerst muss sie nämlich den Sanktus ihrer eigenen Gewerkschaft einholen.
Am Donnerstag trafen Barroso und Šefčovič erstmals mit den EU-Gewerkschaftern zusammen. Zumindest die erste halbe Stunde des Gesprächs sei von gegenseitigem Respekt geprägt gewesen, unkte ein Kommissionsbeamter danach.
Die Kommission trägt also Stück für Stück die Privilegien ihrer Bediensteten ab. Gleichzeitig entsteht ihr aber ein schwieriges Problem: Immer weniger Deutsche, Franzosen, Briten und Niederländer interessieren sich für die Arbeit unter der blauen Flagge mit den goldenen Sternen; nur für Südeuropäer ist ein EU-Posten so begehrt wie eh und je.
Das zeigt sich Jahr für Jahr bei den Aufnahmeverfahren, den sogenannten Concours. Mittlerweile ist es zudem ziemlich schwer, gute Finanzexperten und Wettbewerbsjuristen zu rekrutieren, warnte Šefčovič.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)