Ausgedünntes EU-Budget, schlankes Europa: Eine Chance

(c) AP (Yves Logghe)
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Der Aufschrei über Einsparungen der EU ist absurd. Jetzt beschweren sich jene, die sich zuvor für einen schlanken Gemeinschaftshaushalt starkgemacht haben.

Leitartikel

Careful what you wish for“, heißt ein englisches Sprichwort. Die populären Träume von geringeren Zahlungen an die EU wurden auch von der österreichischen Bundesregierung vorangetrieben. Von den Finanzministern Grasser, Molterer, Pröll bis zu Fekter wurde stets ein knappes EU-Budget gefordert. Und jetzt wird es auch kommen. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht reale Kürzungen vor. Hauptbetroffen ist die Landwirtschaft. Die EU-Agrarförderungen werden von 413 auf 372 Milliarden Euro im Zeitraum zwischen 2014 und 2020 reduziert. Eines der Länder, die das mit Sicherheit zu spüren bekommen, ist Österreich. Und so hat Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich zum Kampf gegen die Kürzung aufgerufen: „Es kann nicht sein, dass ein Zukunftssektor wie die Landwirtschaft als einziger europäischer Bereich Budgetkürzungen hinnehmen soll“, sagte Berlakovich.

Letzte Äußerung ist freilich ein Kleinod an Doppelzüngigkeit: Will der Agrarsektor tatsächlich zukunftsträchtig sein, bedarf es radikaler Reformen, nicht nur Förderungen, um den Status quo wider alle Vernunft aufrechtzuerhalten. Dieser ist nämlich überhaupt nicht zukunftsorientiert. Es bedarf Umwälzungen nicht nur bei Bauern, sondern auch im gesamten Bereich der Genossenschaften und es bedarf fairer Preise für die Produzenten. Dafür muss auch um Akzeptanz bei jedem Konsumenten geworben werden. Von alledem sind wir weit entfernt. Und der zweite Teil der Äußerung, dass dieser EU-Bereich der einzige sei, bei dem eingespart wird, ist schlichtweg falsch. Denn es wird beispielsweise auch bei der EU-Verwaltung gespart. Die EU-Beamten müssen neun Milliarden Euro einsparen, was längere Dienstzeiten, weniger Zulagen und letztlich auch weniger Posten bedeuten wird.

All diese Kürzungen sind für den einzelnen Betroffenen grausam. Im Gesamten können sie aber durchaus sinnvoll sein. Dann nämlich, wenn sie dazu führen, dass die Geldverschwendung beendet wird. Es ist kontraproduktiv und schon gar nicht „zukunftsorientiert“, wenn EU-Fördergelder wie in der Vergangenheit verschwendet werden, um im Agrarbereich einen fairen, freien Markt zu verhindern. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Energie- und Fruchtsafthersteller den größten Brocken der heimischen EU-Förderung erhalten, nur weil sie ihren Zucker in der EU und nicht billiger auf dem Weltmarkt kaufen. Da hat es etwas im System. Da läuft etwas nicht normal. Auch die vielen bürokratischen Auflagen für jeden kleinen Bauern sind eine absurde Strangulierung eines Wirtschaftssektors, der jedem eigentlich am Herzen liegen sollte. Hier verschwindet Geld, statt dass es sinnvoll eingesetzt wird. Zum Erhalt der klein strukturierten Landwirtschaft trägt dies – wie es das anhaltende Bauernsterben belegt – längst nicht mehr bei.

Sparen ist fantasielos. Das stimmt. Aber eben nur dort, wo mit dem Rasenmäher planlos gekürzt wird. Sparen kann auch eine Chance sein, wenn es dazu beiträgt, dass Gelder – insbesondere Steuergelder – effizienter eingesetzt werden.

Bestes Beispiel ist die EU-Verwaltung. Wenn dort in den kommenden Jahren zehn Prozent der Mittel gekürzt werden, wird das manchen radikalen EU-Gegnern noch immer zu wenig sein. Und radikale EU-Befürworter werden warnen, dass Brüssel nun die vielen Aufgaben nicht mehr bewältigen kann. In der Realität ist freilich auch hier durchaus sinnvolles Sparen möglich und notwendig. Wenn etwa im oben genannten Agrarsektor die Förderungen vereinfacht werden, braucht es auch nicht mehr die Bürokratie dafür. Wenn die zahlreichen „weißen Elefanten“ in der EU-Kommission abgebaut werden, die ohne Aufgabe in seltsamen Abteilungen „geparkt“ werden, weil sie (ähnlich wie im ORF) gerade in der falschen politischen oder nationalen Seilschaft unterwegs sind, dann ist das nur zu unterstützen. Wenn die Einsparungen freilich dazu führen, dass hoch qualifiziertes Personal keinen Anreiz mehr findet, in Brüssel zu arbeiten, wäre das ein Fehler.

Ein schlankes Europa, das effizient arbeitet statt bürokratisch zu nerven, ist eine Herausforderung, die mit weniger Geld durchaus besser erfüllt werden kann. Einsparung bei EU-Beamten Seite 1

E-Mails an: wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)

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