Missbrauch: Zweifel an Gutachten

Mutmaßliches Opfer von Geistlichem wurde nicht persönlich untersucht.

Wien/Red. Im jüngsten Fall von angeblichem sexuellem Missbrauch durch einen katholischen Geistlichen werden nun Zweifel an einem Gutachten laut, das dem mutmaßlichen Opfer eine psychische Erkrankung diagnostiziert hat. Die Frau hat eine Beschwerde bei der Ärztekammer eingebracht, weil der Gutachter ihr eine „emotional instabile Persönlichkeit“ nur anhand von mehr als 1000 SMS und Emails diagnostizierte, ohne sie persönlich untersucht zu haben.

Patientenanwalt Gerald Bachinger sagte in einem Ö1-Interview am Freitag, dass ein Gutachten, das nur auf schriftlichen Unterlagen basiere, „sehr problematisch“ sei. Auch Christian Haring, Leiter der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, bezeichnet eine persönliche Untersuchung als „bedeutsam und wichtig“.

Staatsanwaltschaft prüft

Indes prüft die Staatsanwaltschaft Wien die Anzeige wegen sexueller Nötigung und Missbrauch, die die 45-Jährige gegen mehrere Geistliche eingebracht hat. Auch Kardinal Christoph Schönborn wurde von ihr angezeigt, weil er in einem Fall, der sich 1994 ereignet haben soll, informiert gewesen und untätig geblieben sein soll. Ein Vorwurf, den Waltraud Klasnic, Vorsitzende der Opferschutzanwaltschaft als „unverständlich“ bezeichnet. Es gebe „keinen Anlass, die Verantwortung des Kardinals in Frage zu stellen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2011)

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