Kosovo-Serbien: Ende der Eiszeit

Kosovo ndash Serbien Ende
Kosovo ndash Serbien Ende(c) AP
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Auf nachhaltigen Druck der EU haben Prishtina und Belgrad doch wieder einen Gesprächsfaden und zu einem ersten Abkommen gefunden. Eine Anerkennung sei das freilich nicht, beteuert Serbiens Regierung.

Belgrad. Von guter Nachbarschaft zwischen Serbien und dem Kosovo kann zwar noch keine Rede sein. Doch erstmals seit der Abspaltung der ehemaligen serbischen Provinz im Februar 2008 haben Belgrad und Prishtina konkrete Erleichterungen für den grenzüberschreitenden Alltag vereinbart.

Der Durchbruch kam Samstagabend bei der fünften Runde des Nachbarschaftsdialogs, der von der EU initiiert wurde. Kosovos Chefunterhändlerin und Vizepremierministerin Edita Tahiri wollte darin gar einen „ersten Schritt Serbiens in Richtung einer Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo“ erkennen. In Belgrad sieht man das freilich anders: Mit den erzielten Vereinbarungen zum freien Personenverkehr, zum Austausch von Personenstandsregistern und der Anerkennung von Führerscheinen und Universitätsdiplomen werde in keinerlei Weise die Unabhängigkeit der „sogenannten Republik Kosovo“ anerkannt, versicherte der serbische Verhandlungschef Borislav Stefanović: Doch zwölf Jahre nach dem Kosovo-Krieg seien die Vereinbarungen die „bestmögliche Lösung“.

Außer Händeschütteln nichts gewesen

Auf nachhaltigen Druck der EU haben Prishtina und Belgrad doch wieder einen Gesprächsfaden gefunden. Die bilaterale Eiszeit scheint mit dem ersten konkreten Ergebnis zur Lösung praktischer Fragen des schwierigen Nachbarschaftsalltags zumindest vorläufig beendet. Die EU hatte die unwilligen Kontrahenten im März erneut an den Verhandlungstisch bugsiert. Brüssel machte vor allem Belgrad klar, dass eine formelle Anerkennung des Kosovo zwar keine Bedingung für den begehrten Status als EU-Kandidat sei, dass aber ohne Aufgabe der totalen Verweigerungshaltung und ohne einen demonstrierten Willen zu guten nachbarschaftlichen Beziehungen mit einem baldigen Beginn der Beitrittsverhandlungen kaum zu rechnen sei.

Wegen der erwünschten Abschaffung der Visumpflicht bei der Einreise ins „Schengenreich“ fühlte sich wiederum Prishtina zu Wohlverhalten genötigt. In den ersten vier Gesprächsrunden in Brüssel waren die Delegationen über betont eifriges Händeschütteln vor den Kameras aber dennoch nicht hinausgekommen. Mit der ersten Vereinbarung hätten Belgrad und Prishtina den Verhandlungsprozess im „letzten Moment“ gerettet – auch wenn eine Einigung über die wichtigsten Problemfelder noch ausstehe, so der Politologe Dušan Janjić. In den vergangenen 30 Jahren habe sich keine serbische Regierung mit den Kosovo-Albaner verständigen können oder nur den Willen dazu gezeigt, sagte Oliver Ivanović, Staatssekretär in Serbiens Kosovo-Ministerium: Nach so langer Zeit sei „jedes Resultat ein Erfolg“.

EU-Kandidatenstatus um jeden Preis

Vor allem die nahende Wahl im kommenden Frühjahr dürfte Belgrad dazu bewegen, die Liste der noch zu lösenden Nachbarschaftsprobleme möglichst rasch abzuarbeiten. Einerseits wollen die um ihre Wiederwahl bangenden Demokraten dem Land vor der Wahl unbedingt den EU-Kandidatenstatus sichern. Andererseits wollen sie mit dem in der Heimat misstrauisch beäugten Dialog mit Prishtina keineswegs auch noch den Wahlkampf belasten. Die Regierung habe mit dem Abkommen die Unabhängigkeit des Kosovo faktisch anerkannt, wetterte prompt die nationalkonservative Oppositionspartei DSS von Expremier Vojislav Koštunica.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. Juli 2011)

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