Nach der Sexaffäre sind die Franzosen sind gespalten, was ein politisches Comeback von Strauss-Kahn betrifft. Wird er freigesprochen, geben ihm Politologen Chancen auf Vergebung der Wähler.
Paris/New york. Kaum kamen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Anklägerin in der Sexaffäre des früheren IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn auf, sprießen in Frankreich wieder die Verschwörungstheorien. Und die Chancen des noch vor Tagen verschmähten Sozialisten, doch noch bei der Präsidentenwahl im Mai 2012 antreten zu können, steigen.
Nach der ersten Überraschung stellten seine Landsleute sofort die Frage, ob nun Strauss-Kahn, den man als zumindest moralisch Geächteten bereits für erledigt gehalten hatte, in die französische Politik zurückkommen wird. Ist eine solche Rückkehr denkbar? Vielleicht sogar als Märtyrer und Opfer der US-amerikanischen Justiz?
Laut einer Umfrage im Auftrag der Zeitung „Le Parisien“ spricht sich eine knappe Hälfte (49 Prozent) für ein schnelles Comeback von DSK in die französische Politik aus, 43 Prozent sind allerdings dagegen. Das beweist, dass seine Popularität doch ein wenig angekratzt ist, auch wenn sein Image keinen irreversiblen Schaden erlitten hat. Vor seiner Verhaftung am 14.Mai in New York hätten ihn allerdings 60 Prozent der Franzosen bereits als nächsten Staatspräsidenten und Nachfolger von Nicolas Sarkozy gesehen.Richtiggehend überrumpelt hat die plötzliche Wende die sozialistischen Parteikollegen von DSK. Die meisten hatten gerade erst begonnen, sich desillusioniert damit abzufinden, dass die Präsidentschaftswahl ohne ihren aussichtsreichsten Anwärter stattfinden würde. An Lückenbüßern mangelte es zwar nicht. Schon vor der Verhaftung von DSK machten ihm, allerdings ohne große Chancen, vier Konkurrenten die Nominierung bei den auf Oktober angesetzten Vorwahlen streitig. Weil Strauss-Kahn ausfiel, stieg kürzlich auch die sozialistische Parteichefin Martine Aubry ins Rennen. Eigentlich wollte sie ja ihren Genossen Dominique unterstützen. Nur drei Tage nach der Ankündigung ihrer Kandidatur bei den Vorwahlen muss sie sich jetzt fragen, ob sie nicht besser zugewartet hätte.
Sozialisten im Vorwahl-Dilemma
Theoretisch läuft bei den Sozialisten am 13.Juli die Frist zur Anmeldung einer Kandidatur bei diesen Vorwahlen aus. Ist bis dahin DSK von allen Vorwürfen reingewaschen und in der Lage, sich in Frankreich um höchste Ämter zu bewerben? Will er das überhaupt noch? Das weiß niemand, auch seine engsten Mitarbeiter nicht, die noch Anfang Mai mit ihm seine Präsidentschaftskampagne vorbereitet hatten. Jean-Christophe Cambadélis oder Pierre Moscovici zum Beispiel meinen, es sei zu früh, dieses Thema anzuschneiden, noch gehe es in New York „um die Freiheit und die Ehre“ ihres Freundes. „Ich glaube nicht, dass Dominique nun kommt und sagt: ,Räumt das Feld für mich!‘ Das entspricht nicht seinem Stil“, meinte ein Getreuer.
In die Erleichterung über die positive Wende mischt sich bei Strauss-Kahns Parteikollegen auch eine unübersehbare Verlegenheit. Diese hängt nicht nur mit den Terminproblemen der Vorwahlen zusammen. François Hollande, der neben Aubry die besten Aussichten auf die Nominierung hätte, solange DSK nicht mehr im Rennen ist, gab sich, ähnlich wie Ségolène Royal, möglichst fair und will die Frist zur Einreichung der Kandidaturen verlängern.
Nicht an ein sofortiges, sondern an ein längerfristiges Comeback von Strauss-Kahn glaubt der Pariser Politologe Stéphane Rozès. Voraussetzung sei aber, dass DSK seinen Landsleuten vorher seine Version erzähle, denn das katholische Frankreich sei „bereit zu vergeben, wenn es zuvor eine Beichte gibt“. Und da Frankreich nicht so puritanisch wie die USA sei, werde ein bloßer sittlicher Fehltritt durchaus toleriert. Auch bei Politikern.
Auf einen Blick
Die Wende in der Sexaffäre von Ex-IWF-Chef Strauss-Kahn könnte dem Sozialisten die Rückkehr in die Politik und die Kandidatur für die Präsidentenwahl 2012 bringen. Ob DSK überhaupt an den parteiinternen Vorwahlen im Herbst teilnehmen will, ist aber noch offen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2011)