Der VfGH hat die bestehende Regelung gekippt. Wissenschaftsminister Töchterle will, dass die Universitäten die Höhe der Gebühren selbst festlegen. Die Uni-Rektoren warnten vor einem Wegfall der Gebühren.
Wien/Beba/Aich. Schon seiner Vorgängerin Beatrix Karl war aufgrund roter Gegenwehr kein Erfolg beschieden, nun versucht sich auch Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP) an einem ideologisch behafteten Thema: Er fordert die generelle Wiedereinführung der Studiengebühren. Und er setzt noch eine kontroversielle Idee drauf: Er kann sich vorstellen, dass es künftig die Unis selbst sind, die die Höhe der Gebühren festlegen.
Anlass für den Vorstoß gab der Verfassungsgerichtshof (VfGH), der am Donnerstag die Regelung kippte, mit denen die Gebühren im Jahr 2008 de facto abgeschafft wurden (siehe Faktenkasten). Die Begründung: Das Gesetz nimmt wörtlich auf „Studienabschnitte“ Bezug, doch Studienabschnitte gibt es nur noch in den auslaufenden Diplomstudien. Bei den neuen Bachelor- und Masterstudien war somit unklar, was der Gesetzgeber meint. Unklare Regeln sind aber verboten, der VfGH hob den betreffenden Paragrafen somit auf, allerdings erst mit Wirkung zum 29. Februar 2012.
Das bedeutet, dass die Betroffenen im kommenden Wintersemester auf jeden Fall Studiengebühren zahlen müssen. Im Sommersemester würde die Zahlungspflicht erlöschen, sofern die Regierung nicht zuvor eine Neufassung des Gesetzes beschließt.
Neue Diskussion, alte Fronten
Der Spruch des VfGH hat nun eine neue Diskussion um die Studiengebühren entfacht. Über die Ausgestaltung der Neuregelung scheiden sich die Geister; die Fronten verlaufen entlang altbekannter ideologischer Gräben. ÖVP-Minister Töchterle will bis Februar ein Gesetz, das die generelle Einhebung von Gebühren ermöglicht – anstelle des derzeitigen „Flickwerks“, das 2008 in einer „Nacht- und Nebelaktion“ zustande gekommen sei.
Könnten die Unis die Höhe der Gebühren autonom bestimmen, befeuere das den Wettbewerb zwischen den Standorten, so Töchterle: „Attraktivere Unis könnten mit höheren Gebühren arbeiten, weniger attraktive mit niedrigeren. Das wäre ein Impuls, noch attraktiver zu werden“, sagte er der „Presse“. Eine Obergrenze hält er nicht für zwingend, aber für vorstellbar: 500 Euro pro Semester seien etwa eine „denkbare Maximalhöhe“. Gleichzeitig müsse das Stipendiensystem treffsicherer werden. Auf seiner Seite hat Töchterle – wenig überraschend – BZÖ, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung.
Was den Koalitionspartner betrifft, so äußerte Töchterle die Hoffnung, „höhere Gesprächsbereitschaft“ vorzufinden. Doch mit der SPÖ dürfte diesbezüglich kein Staat zu machen sein: Nachdem die rote Front gegen Gebühren Ende des Vorjahres durch die Aussagen einiger Landeshauptleute (inklusive des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl) ins Wanken geraten war, sprach Kanzler Werner Faymann ein Machtwort: Eine generelle Wiedereinführung von Studienbeiträgen komme nicht infrage, hieß es also auch am Donnerstag. Jene, die wirklich studieren wollen, dürften nicht durch finanzielle Hürden abgehalten werden, sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas. Nur in Ausnahmefällen dürfe es Gebühren geben.
Die Österreichische Hochschülerschaft sieht in dem Urteil unterdessen eine Chance, die Gebühren für alle abzuschaffen und so „mit den Altlasten der ÖVP-FPÖ-Koalition endgültig aufzuräumen“. Auch die Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund plädieren für eine Abschaffung.
Rektoren warnen vor Wegfall
Die Uni-Rektoren warnten wiederum vor einem kompletten Wegfall der Gebühren. Für die Universitäten würde dies „einen weiteren finanziellen Aderlass bedeuten und das ist in der derzeitig angespannten Budgetsituation nicht verkraftbar“, sagt Rektorenchef Hans Sünkel.
Auf einen Blick
Nach der Einführung im Jahr 2001 wurden die Studiengebühren 2008 mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen de facto abgeschafft. Befreit sind Österreicher und EU-Bürger, die in der Mindeststudiendauer plus zwei Toleranzsemester pro Studienabschnitt studieren. Wer länger braucht, zahlt 363,36 Euro pro Semester. Ausnahmen gelten etwa für Berufstätige.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2011)